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Kopfschütteln über den Papst

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In Sri Lanka ist Dialog der Religionen schwierig. Wegen der Geschichte. Aber auch, wenn Kir-chenfiihrer den Buddhismus spirituellen Autoerotizismus nennen.

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In Sri Lanka ist Dialog der Religionen schwierig. Wegen der Geschichte. Aber auch, wenn Kir-chenfiihrer den Buddhismus spirituellen Autoerotizismus nennen.

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Vor dem Raja Maha Vihara bei Colombo findet man, wie vor jedem buddhistischen Tempel in Sri Lanka, eine große Zahl verwaister Schuhe. Die heilige Stätte besucht man barfuß, aus Respekt. Der Boden ist heiß und mit feinkörnigem Sand bedeckt. Die Sohlen der Europäerin sind im Gegensatz zu denen der Asiaten nicht abgehärtet und bieten den feinen Splittern, die sich im Sand verbergen, keinen Widerstand. So wird allabendlich der Fremdkörper in der Fußsohle zum schmerzhaften Sinnbild des Fremdseins in diesem Land.

„Perle im Indischen Ozean” hieß Sri Lanka bei arabischen und portugiesischen Seefahrern. Hier lebt ein freundliches Völkergemisch, das durch Schlagzeilen über den Bürgerkrieg im Norden des Landes Aufmerksamkeit erregt. Fragt man in Colombo, kann niemand erklären, woran Singhalesen von Tamilen äußerlich zu unterscheiden sind. Im Ballungszentrum der Stadt gelingt friedliches Miteinander. Besteigt man den Adam's Peak, einen Berggipfel südwestlich Colombos, findet man sich inmitten einer unüberschaubaren Pilgerschar von Buddhisten, Hindus, Muslimen, Christen -alle nebeneinander denselben Ort verehrend. Und doch scheint Kriegsgott Skanda in diesem Land zu triumphieren. Vorläufig.

Eine „Art Heilslehre”?

Sri Lanka könnte aber Modell friedlicher Koexistenz der Religionen sein. Für viele Katholiken in Sri Lanka besteht seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil der Auftrag zum Dialog. Auf der Insel treffen vier ausgeprägte und in sich unterschiedlich entwickelte Religionen aufeinander. Rund 70 Prozent Buddhisten, die dem Theravada-Bud-dhismus zuzuordnen sind, leben hier, daneben 16 Prozent Hindus, vor allem aus der Volksgruppe der Tamilen, die restlichen 14 Prozent teilen sich etwa auf Muslime und Christen auf. Die Christen sind in viele Konfessionen aufgesplittert, die durch wechselnde Kolonialherren auf die Insel kamen. Genaue Zahlen zu erhalten, ist in Sri Lanka, das gerade eine Hochblüte der Bürokratie erlebt, noch immer nicht möglich. Es geht hier aber auch nicht um Statistik, sondern um eine intensiv erlebte Identität von Leben, Beligion, Kultur, die besonders den Theravada-Buddhismus mit diesem Land eint und in der Geschichte verankert.

1994, wenige Monate vor seinem Besuch auf Sri Lanka, tat Papst Johannes Paul II. seine Meinung über Buddhismus kund - in dem Buch „Crossing The Threshold Of Hope”. Der Papst sprach von der Notwendigkeit, sich mit den anderen Religionen auseinanderzusetzen: Dem Buddhismus gebühre besondere Aufmerksamkeit, da er wie das Christentum „eine Art Heilslehre” vertrete. Im selben Atemzug nannte er Christentum und Buddhismus „gegensätzlich”, und die Lehre des Buddhismus - zumindest in ihrer praktischen Anwendung - eine negative.

Mit diesem Text löste der Papst weltweit Kopfschütteln aus. Der srilankische Jesuit Aloysius Pieris teilt die Reaktionen launig in zwei Gruppen ein: einerseits diejenigen, die meinten, der Papst könne das nicht öffentlich gesagt haben, und die anderen, die der Meinung waren, er sollte das nicht öffentlich gesagt haben.

Abgesehen davon, daß eine Reihe buddhistischer Würdenträger ein Treffen mit dem Papst im Jänner 1995 in Sri Lanka verweigerte, blieb der schale Nachgeschmack, daß der allerhöchste Kirchenvertreter in Rom sich mit dieser Weltreligion nicht allzu intensiv auseinandergesetzt haben konnte. Der Vorfall wäre vielleicht in Vergessenheit geraten, hätte nicht Kardinal Ratzinger im April dieses Jahres mit einem Statement für Aufsehen gesorgt, das im französischen „L'Ex-press” abgedruckt war. Er bezeichnete darin die Heilserwartung im Buddhismus als „spirituellen Autoerotizismus”. Reaktionen aus den asiatischen Ländern folgten. Eine der charmantesten stammt von einem thailändischen Jesuiten in einem Leserbrief an „The Tablet”: „Was immer Fremde über den Buddhismus schreiben, ist gewöhnlich falsch, im besonderen wenn der Schreiber Deutscher ist”, zitierte er einen thai-buddhistischen Mönch.

Was in Europa als mildes Geplänkel abgetan werden kann - unter Berück sichtigung der Rolle eines undifferenziert und eklektizistisch praktizierten Buddhismus, der mit einer Welle New Age über die verschreckten katholischen Kirchen Europas schwappt - löst in Ländern wie Sri Lanka, in denen sich engagierte Christen um aufrichtigen Dialog mit der buddhistischen Mehrheit bemühen, eine Krise aus.

Die Christen, überzeugt davon, von Jesus als einem der bedeutendsten Lehrer auch für Asien erzählen zu können und dabei gutes und konstruktives Gedankengut den buddhistischen Mitbürgern mitzuteilen, sind brüskiert. Ihr vordergründiges Interesse ist nicht, die Schar der Katholiken zu vermehren, sondern das Wesentliche der Botschaft Jesu anzubieten. Ein anderer theologischer Gesprächspartner meint auf die Frage, ob er aus den Buddhisten Christen machen möchte: „Nein, das wollen wir nicht. Was wir wollen, ist, den religiösen Schatz der Menschheit zu teilen, woher auch immer - unter Berücksichtigung der menschlichen Würde und der Zukunft menschlichen Lebens. Ich würde nicht die Frage stellen, ob es besser für die Menschen wäre, Christen zu werden. Laßt die Buddhisten aufrichtige Buddhisten bleiben und die Christen aufrichtige Christen. In Sri Lanka gibt es vier der bedeutendsten Religionen; wenn sie gut verstanden, gelernt und gelebt werden, kommt viel Gutes in dieses Land.”

Belastende Geschichte

Der Jesuit Aloysius Pieris erinnert an das zentrale Problem der Buddhisten im Dialog mit den Christen: Es ist die Geschichte des Landes, die in den letzten1 Jahrhunderten von christlichen Machthabern geprägt war, welche das Land ausbeuteten und unterdrückten, m ihrem Gefolge traten die Kirchen auf, mit ihrer Billigung wurden Tempel und Schriften der Buddhisten zerstört. Was die Buddhisten heute noch am meisten an der Kirche befremdet, ist ihr dominantes Auftreten, selbst in postkolonialer Zeit. Kein gutes Ambiente für die Botschaft Jesu Christi.

Der von Rom exkommunizierte Oblatenpater Tissa Balasuriya bemühte sich um ein asiatisches Antlitz von Jesus Christus und der Gottesmutter Maria, versuchte, ihre Bedeutung für asiatische Menschen herauszuarbeiten. Seine Exkommunikation (Furche 15/97, Seite 8) wurde von vielen Buddhisten als Zeichen gewertet, daß Rom einem solchen Dialog nicht wohlgesonnen gegenübersteht. Für asiatische Theologen bot das Zweite Vatikanum und seine Öffnung anderen Religionen gegenüber die Möglichkeit, einen weitergehenden Dialog zu beginnen, der die Inhalte des Glaubens zur Sprache bringt, und gleichzeitig eine Sprache zu entwickeln, die nicht auf dem Anspruch der einzig seligmachenden Wahrheit beruht, sondern zentrale Botschaften Jesu thematisiert. Die Geschichte des Dialogs zwischen Christen und Buddhisten birgt ein weiteres Kriterium der Schwierigkeiten: Im 19. Jahrhundert waren es die Buddhisten, die einen vorsichtigen Dialog mit den Christen ins Rollen bringen wollten, doch die christlichen Missionare verweigerten diesen mit der Begründung, nicht mit einem Irrtum ins Gespräch kommen zu wollen. Und heute, da Christen als Minderheit den Dialog forcieren, winken die Buddhisten aufgrund mangelnder Glaubwürdigkeit ab. Es wird nicht leicht sein, diesen „Nebel der Mißverständnisse” zu durchdringen. Alle christlich-buddhistischen Konflikte in der Vergangenheit sind von den Christen ausgegangen, meint Aloysius Pieris bedauernd und fügt hinzu: „Es liegt an uns, nicht nur als Individuen, sondern an der ganzen Kirche, die Bereitschaft zu einem ernsthaften und aufrichtigen Dialog erkennen zu lassen.”

Basis Menschlichkeit

Eine gar nicht so kleine Gruppe von Christen hat einen neuen Weg eingeschlagen: den sogenannten „Dialog des Lebens”, eine Initiative der asiatischen Bischöfe. Christen und Buddhisten teilen das Leben, etwas, was schon Jesus mit den Menschen seiner Zeit teilte. Tod, Geburt, Heirat, Alltag und Katastrophen sind die Elemente des Löbens, in denen das Heil sich erweisen kann. Die Kirche könnte im Leben der Menschen mehr präsent sein. Gerade wird auch ein anderes Experiment begonnen: die sogenannte Basic Human Community.

Die Initiative stammt nicht von amtskirchlicher Seite, sondern aus dem Bedürfnis von Menschen - Christen wie Buddhisten -, eine „menschliche Basis-Gemeinschaft” zu leben, aus der Erkenntnis heraus, daß die Menschlichkeit der kleinste gemeinsame Nenner ist, der alle vereint. In dieser Vorstellungswelt ist auch Jesus zu dieser Gemeinschaft zu zählen.

In Gesprächen wird der gemeinsame Alltag hinterfragt, aber auch die Identität des anderen erforscht: Was macht einen Buddhisten aus, was eine Christin? Hier beginnt ein Dialog, der kein Selbstzweck ist, sondern ein Dialog durch das gemeinsame Leben. Im Teilen des täglichen Lebens und im Feiern spielen die unterschiedlichen Vorstellungen von Doktrin keine wesentliche Rolle mehr - und sind doch nie ganz auszuklammern. Es ist ein „theologisches Experiment”.

Die asiatischen Christen erhoffen sich von der K irche den Raum und die Freiheit, mit ihren spezifischen Problemen, die sich von denen Europas unterscheiden, eine Zeitlang selbst umgehen zu können. Auch die Kirche im Westen, schmunzelt Aloysius Pieris, hatte ein paar Jahrhunderte Zeit, ihre Fehler zu machen.

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