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Ideale Alternative für Sinnsuchende?

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Der Buddhismus paßt zu den spirituell unbefriedigenden Europäern. Er vertritt Werte, nach denen sich viele in der Ellbogengesellschaft sehnen.

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Der Buddhismus paßt zu den spirituell unbefriedigenden Europäern. Er vertritt Werte, nach denen sich viele in der Ellbogengesellschaft sehnen.

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Der katholischen Kirche laufen die Schäfchen scharenweise davon; bei Esoterik und New Age haben viele nicht gefunden, wonach sie suchten; Mitglieder einer obskuren Sekte zu sein ist nicht jedermanns Sache. Da bietet sich das fernöstliche Glaubens- und Lebenskonzept für viele Sinn- und Orientierungssuchende als ideale Alternative an. In den Buchhandlungen haben Buddha und Meditation Hochkonjunktur. „Die fünf Tibeter”, eine einfache Meditationsanleitung, waren zwei Jahre lang auf den obersten Rängen der Bestsellerlisten. Filme wie Bertoluccis „Little Buddha” und „Li-ving Buddha” verzeichneten einen Zuseherrekord.

Der Buddhismus paßt gut zu den aufgeklärten, aber spirituell unbefriedigenden Europäern. Ohne Gott oder Götter kommt er aus; er besitzt ein eher psychologisch und philosophisch ausgerichtetes Gedankengebäude. Dazu verfügt er über sehr ausgefeilte Meditationspraktiken und vertritt die Auffassung von der Wiedergeburt, die hierzulande eine wachsende Schar von Gläubigen überzeugt. Buddha lehrt überdies Bescheidenheit und Freundlichkeit: Werte, nach denen sich viele in der Konsum- und Ellbogengesellschaft des Westens sehnen. Die Beligion erhebt keinen Anspruch auf Verkündigung einer allein gültigen Wahrheit oder Lehre.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich unter dem Einfluß verschiedener Kulturen jeweils unterschiedliche Richtungen und Traditionen gebildet. Sie ergänzen sich gegenseitig und basieren alle auf den „Vier edlen Wahrheiten” vom Leiden, seinen Ursachen, seinen Beendigungen und dem Weg dorthin.

Wer sich in Österreich in den fünfziger und sechziger Jahren dafür interessierte, mußte lange suchen, um Gleichgesinnte zu finden. Das erste Buddhistische Zentrum wurde 1975 in Scheibbs gegründet. Wenn man sich heute die reichhaltigen Aktivitäten ansieht, kann man daraus ermessen, wie wichtig dieser Schritt gewesen ist. Erstmals konnten sich die buddhistischen Kräfte Mitteleuropas bündeln. Schon wenige Jahre danach entstand die erste ständige Niederlassung in Wien - vorerst eiii einfaches Kellerlokal im dritten Bezirk. Auf Initiative eines japanischen Ordens baute man 1982 die Friedenspagode am Handelskai.

Ziel der Buddhisten war es schließlich, eine vom Staat anerkannte Beligion zu werden, weil damit ein Schutz vor dem Unverstand mancher Zeitgenossen geboten würde, die in kahlgeschorenen Köpfen, safrangelben Mönchsroben, Bäucherstäbchen und Gongs ein Werk des Teufels sahen. Ausschlaggebend war die Zahl der Beitrittswilligen und ein gewisser Druck der Öffentlichkeit. Seit 1983 kann man also auf Dokumenten in die Spalte „Beligion” den Namen „Buddhismus” eintragen. Alle hierzulande angebotenen Kurse und Seminare werden vom Buddhistischen Zentrum am Wiener Fleischmarkt koordiniert und in einem eigenen Programm zusammengefaßt. Aufgrund der Fülle der Angebote ist dies sehr hilfreich. Zudem bietet die Buchhandlung „Octopus” Interessierten einen Überblick über die angebotene Lektüre.

Buddhist zu sein bedeutet, wie der Vorsitzende der Wiener Gemeinschaft, Peter Biedl, erklärt, durch das Studium und die Praxis der Lehre Buddhas den Geist von seinen Fesseln zu befreien. Dies heißt, daß eine Veränderung der eigenen Persönlichkeit angestrebt wird, statt einer Umges-staltung der Welt, und das ist auch der Grund, warum die Lehre des Buddha eher „Lebensweisheit” als „Beligion” genannt werden kann. In Wirklichkeit ist niemand Buddhist, wenn er sich nicht selbst verändert.

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