Heimat ist dort, wo es mir gut geht

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Was "Heimat“ im Zeitalter der Globalisierung bedeutet, ist erst herauszufinden. Überlegungen im Vorfeld des erstmals veranstalteten "Symposions Dürnstein“.

Nun ist’s entschieden: In dem kleinen Städtchen Gföhl an der Pforte zum Waldviertel wird doch nicht Europas größter Stupa gebaut. Ein Stupa ist ein buddhistisches "Denkmal“, ein "Friedenszeichen“ und hochsymbolisch. Die Protagonisten argumentierten auf unterschiedlichem Niveau: Die Projektbetreiber, eine buddhistische Privatstiftung, beschworen, das Monument würde dem Ort Segen bringen. Bürgermeister und die meisten aus dem Gemeinderat dachten eher an Einnahmen aus dem Fremdenverkehr; und die Opposition gegen den Bau sah die "Waldviertler Kulturlandschaft“ und deren "christliche“ Prägung in Gefahr. Der Konflikt in Gföhl zeigte wieder einmal die Verwerfungslinien im österreichischen Identitätsgefühl.

"Heimat“ ist unter anderem Gewohnheit. Wer etwa erklärt, dass ein Stupa oder ein Minarett die "christlich“ geprägte "Kulturlandschaft“ verschandelt, muss sich fragen lassen, ob die riesigen Silos, die im Waldviertel stehen, als Schmuck dieser Landschaft gedacht sind. Doch die Silos ist man gewohnt.

Auch muss es ja nicht immer "Heimat“ sein - besonders, wenn es hierzulande kalt ist, boomen z. B. Reisen ins Ferienparadies Thailand. Wem dort am Strand zu fad wird, kann schon einmal einen Besuch in einem buddhistischen Tempel wagen, und orangefarben gewandete buddhistische Mönche auf ihrem Bettelgang sind ein hochinteressantes Foto-Motiv. Doch so nahe will man den Buddhismus dann doch nicht haben - auch wenn bunte Plastik-Buddha-Köpfe in grellen Farben in Einrichtungshäusern als Party-Schmuck locken oder tibetische Thangkas, also Meditationsbilder, ein exotisches Glanzlicht fürs Wohnzimmer darstellen.

Globalisierung ist gut - solange sie möglichst billige Konsumartikel liefert, am besten mit einer Prise Exotik. Doch bleibt es nie beim Warenaustausch. Das ist für viele ein Problem. Das war es in früheren Jahrtausenden nicht: Eine Ausstellung im Pergamon-Museum zu Berlin zeigt z. B. die glänzenden Überreste blühender spätantiker Kulturen - in Oasen mitten in der saudi-arabischen Wüste. Mit den griechischen Handelsgütern kamen auch griechisch-römische Lebensart und die antiken Gottheiten in die saudische Wüste. Kulturelle Identität war damals auf der arabischen Halbinsel kein Problem, wohl aber heute - und in Saudi-Arabien genauso wie in Österreich. Unter dem Vorzeichen der Globalisierung geht es vor allem um Abgrenzung - gegen "die Anderen“.

Erstmals auch gegen Buddhisten

In Österreich geht es - in Gföhl - erstmals auch gegen Buddhisten, ansonsten erscheinen zumeist "die“ Muslime als "Gefahr“ für "die Heimat“, "das Christentum“, "das Abendland“ - lauter Worte, so gewichtig als Munition gegen "die Anderen“ wie auch diffus in ihrer Bedeutung. Darüber müsste man also einmal genauer reden:

Wo zum Beispiel war "Heimat“ für die rund 50.000 burgenländischen Auswanderer, die seit Ende des 19. Jahrhunderts Europa verlassen und sich meist in Nordamerika niedergelassen haben? Das karge Burgenland blieb in Erinnerung, aber der Lebensmittelpunkt war für viele Chicago. Die alten Römer hatten dazu einen so pragmatischen und wie globalisierungstauglichen Vorschlag: Heimat ist, wo es mir gut geht - ubi bene, ibi patria. Und das kann überall sein, aber manchmal ganz sicher nicht im Herkunftsland. Was für Österreich "Heimat“ in Zeiten der Globalisierung bedeutet, muss erst herausgefunden werden. Denn "Heimat“ ist zwar keine Fiktion, aber eine Konstruktion.

Und dann das "Abendland“ - ein Konstrukt der deutschen Romantiker um 1800. Wer sich darauf beruft, meint zu wissen, wo es liegt. Die Grenzen sind kulturell fixiert: die griechischen Philosophen, das römische Recht, die christliche Tradition. Nur: Der Kirchenvater Augustinus kam aus Algerien, der Apostel Paulus aus der Türkei; ebenso "abendländische“ Denker wie Thales oder Heraklit. Sie bezogen ihre Impulse aus dem Iran und vielleicht auch aus Indien. Der Geltungsbereich des Römischen Rechts erstreckte sich bis in den heutigen Iran und Irak. Die Bibel, die die europäische Kultur geformt hat, hat der Archäologe und Theologe Othmar Keel als ein "altorientalisches Lesebuch“ bezeichnet. Europa ist also Abkömmling "vorderorientalischer Randkulturen“.

Es sind immer "die Anderen“, durch die Entwicklung in Gang kommen kann - konstruktive Gesprächsbereitschaft vorausgesetzt. An der scheint es allerdings gerade etwas zu mangeln.

Heimat - christlich - Abendland

Symposion Dürnstein 2012

Mittwoch, 22. bis Sonntag 26. Februar

www.wachau-kultur.at

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