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Was die Sekten versprechen

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In Nr. 37 hat sich die FURCHE mit dem heute wieder stark aufbrechenden Phänomen der Sehnsucht nach mehr Innerlichkeit beschäftigt und gezeigt, daß Sekten dieses Anliegen pervers befriedigen. Im folgenden Beitrag werden jene vier Sekten beschrieben, die in Österreich die meisten Anhänger haben.

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In Nr. 37 hat sich die FURCHE mit dem heute wieder stark aufbrechenden Phänomen der Sehnsucht nach mehr Innerlichkeit beschäftigt und gezeigt, daß Sekten dieses Anliegen pervers befriedigen. Im folgenden Beitrag werden jene vier Sekten beschrieben, die in Österreich die meisten Anhänger haben.

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Leider ist Österreich nicht verschont geblieben — von den immer mehr um sich greifenden Sekten. In unserem Land gibt es derzeit zehn „eingetragene”, missionierende Sekten und unzählige kleine Glaubensgemeinschaften, die nicht als christliche Gruppierungen gelten können.

Die vier „anziehendsten”, weil zahlenmäßig am stärksten, Sekten seien hier näher beschrieben: Vielleicht haben Sie schon auf der Straße eine Gruppe von jungen Männern gesehen, die einen kahlgeschorenen Kopf hatten, in gelbe oder weiße Tücher gehüllt waren und zu fremdartiger Instrumentalmusik in monotonster Weise immer dasselbe sangen? Das waren Mönche der „Hare Krischna”-Bewegung.

Diese Sekte entstand im 16. Jahrhundert in Indien, die Essenz der Religion war und ist die Entwicklung reiner Liebe zu Gott (Krishna). Um dieses Ziel zu erreichen ist das gemeinsame chan-ten (singen) des Hare-Krishna-Gesanges sehr wichtig, dieser vierzeilige Vers muß mindestens 1728mal pro Tag gesungen werden.

Durch die englische Kolonisation wurde die Religion auch für die westliche Welt zugänglich gemacht, die Lehren wurden in die englische Sprache übersetzt. 1965 wurde in New York eine „Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein” gegründet. Seit 1970 wird in deutschsprachigen Ländern missioniert.

Die wichtigsten Philosophien stammen aus den Veden, das sind alte gesammelte indische Schriften. Die Basis der Lehre ist, daß der Körper unwesentlich, nur materiell ist. Das Wesentliche ist im Körper, nämlich ein Wesen das von Natur aus voller Wissen und Glückseligkeit ist. Krishna-Be-wußtsein bedeutet, die Bedek-kung von dieser Seele zu nehmen, das ist dann die Selbstverwirkli-chung. Wer diese vollzogen hat, kann mit der höchsten Persönlichkeit Gottes direkt von Angesicht zu Angesicht in Kontakt treten.

Die Hare-Krishna-Mönche und auch die Sektenanhänger werden zur sexuellen Enthaltsamkeit angehalten. Auch der Genuß von Alkohol, Drogen, Tabak, Kaffee und Tee wird untersagt. Im Gespräch mit Anhängern dieser Sekte merkt man, daß es gerade diese Radikalität der Lebensführung ist, die die Bewegung für Jugendliche so attraktiv macht. Sie glauben, mit diesen strengen Regeln, die zur Selbstverwirklichung führen sollen, eine Leere in ihrem Leben überbrücken zu können.

Ein weiterer Anreiz ist der transzendentale und mystische Aspekt dieser Sekte. Das Rationale tritt in den Hintergrund, die Religion ist hauptsächlich auf Emotionen ausgerichtet, was junge Menschen in unserer vernunftbetonten Welt anspricht.

Eine andere in Österreich verbreitete Sekte ist die „Vereinigungskirche”, vielleicht eher bekannt unter dem Namen „Mun-Sekte”. Die Lehren der Sekte sind .auf die Person des Koreaners San Myung Mun (geboren 1920) zugeschnitten. Er versteht sich als „Herr der Wiederkunft”, als Nachfolger Jesu, der der Meinung des Koreaners nach durch den Kreuzestod gescheitert ist. Mun will die Welt in religiöser, kultureller und politischer Hinsicht vereinen.

Die Vereinigungskirche will alle Religionen ablösen bzw. überbieten. „Die Göttlichen Prinzipien”, das literarische Hauptwerk der Vereinigungskirche, steht in den Augen der Sektenanhänger über der Bibel, und zwar so wie das Neue Testament über dem Alten Testament steht.

Die Erlösungslehre verlangt von ihren Anhängern die totale Loslösung von ihren alten Werten, also die Abwendung von der Familie und dem Beruf und die völlige Unterwerfung der Sekte gegenüber. Das geschieht allerdings zum Vorteil des Sektenführers Mun, der als Multimillionär in den USA lebt und ein Wirt-. schaftsimperium, das auch Waffenfabriken umfaßt, leitet.

Jugendliche fühlen sich besonders durch die in Wohngemeinschaften praktizierte Gemeinschaftlichkeit angesprochen. Diese Gemeinschaft wird als neue Heimat angesehen, eine wichtige Erfahrung für junge Menschen, die aus desolaten Familienverhältnissen stammen. Außerdem wjrd den Jugendlichen eine persönliche und ethische Ordnung und ein weltumfassendes, idealistisches Ziel angeboten. Daß sie als Anhänger dieser Sekte ihre Eigenständigkeit und Individualität verlieren, bemerken sie anfangs nicht, später sind sie entweder so abgestumpft oder so ausgelaugt, daß sie sich nicht mehr von der Sekte lösen können.

So wie die schon beschriebenen Sekten stammt auch die „Bhag-wan”-Bewegung aus dem fernöstlichen Kulturkreis. Das Gottesbild, das der ehemalige Philosophieprofessor Rajneesh Chandra Mohan, der sich „Bhagwan” — der Göttliche - nennt, seit 1974 in Poo-na verbreitet, entspricht dem des normal-hinduistischen Religionskreises. Das Ziel dieser „Religion” ist die Vereinigung mit dem Göttlichen, und zwar durch Unterwerfung und Demut, Freude und Ekstase. Bhagwan hat den Absolutheitsanspruch, nur er kann den Weg zu Gott weisen. -

Gott ist ein unpersönlicher Glücks- und Erfüllungszustand. Dem Guru, Bhagwan, werden göttliche Qualitäten zugeschrieben, ihm gebührt totale Verehrung. Das größte Glück für einen „Jünger” der Bhagwanbewegung ist die Vereinigung mit dem Guru. So ist es erklärbar, daß Tausende von Jugendlichen in den Ashram nach.Poona reisen, um dort viel Geld für sogenannte „Selbsterfahrungskurse” zu lassen. Wer nicht mehr zahlungsfähig ist, wird sofort fallengelassen. Charakteristisch für diese Bewegung ist die Mischung aus westlichen Psychotechniken und -therapien und religiöser östlicher Praxis.

Seit 1981 ist das Zentrum dieser Bewegung auf einer Farm in Oregon, USA, da der Göttliche Schwierigkeiten mit der indischen Finanzbehörde hatte. Allerdings hat dieser Umzug der Popularität des großen Gurus keinen Abbruch getan, im Gegenteil, noch mehr Menschen suchen die Nähe des Bhagwan, arbeiten unentgeltlich auf seiner Farm und versinken in Ekstase, wenn der große Meister in seinem Rolls-Royce an den Feldern vorbeifährt.

Sekten sind keine Hilfe

Von dem Amerikaner L. Ron Hubbard wurde die Scientology-Kirche gegründet. Sie wird „gefährlicher” eingeschätzt als die fernöstlichen Sekten, da sie mit viel subtileren Mitteln als diese arbeitet und missioniert. Als Sekte ist diese Bewegung nur bedingt zu bezeichnen, da sie wenig mystische Elemente enthält und als „militärisch” straffe Organisation geführt wird. Die Wohngemeinschaften ermöglichen eine scharfe Kollektivkontrolle, bei „Vergehen” wird ein hartes Strafsystem angewandt. Die Lehre der „Kirche” verspricht die Steigerung geistiger Fähigkeiten und der Intelligenz. Außerdem wird die geistige Freiheit gefördert. Um all das zu erreichen, muß man sehr teure Kurse belegen, wobei ein Kurs den nächsten bedingt, der dann noch teurer ist—ein Teufelskreis für verunsicherte und ratlose Menschen.

Eines haben alle Sekten gemeinsam: sie sprechen labile, einsame, von der Realität enttäuschte und entmutigte Menschen an. HUfe können sie jedoch keine bieten. Geholfen wird nur einem: dem Sektengründer, der enormen Gewinn aus seiner Sekte zieht.

Das Foto auf S. 3 in Nr. 37 stellte „Chaden” und nicht wie im Bildtext irrtümlich vermerkt Hare-Krishna-Mönche dar.

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