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Nach dem Schema 08/15

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Man sieht in diesen Sommerwochen viele Soldaten. Nicht jene der abziehenden vier alliierten Elemente sind hier gemeint — und schon gar nicht die der Vorhut des neuen Bundesheeres. Es sind die Filmsoldaten, mit denen in einer Reihe von Streifen die deutsche Wehrmacht zehn Jahre später wenig fröhliche Urständ feiert.

In der vergangenen Woche waren „Kinder, Mütter und ein General“ an der Reihe, diese Woche rücken Stabsgefreiter Kowalski, Wachtmeister Asch neben Hauptmann Witterer und anderen aus Hans Hellmut Kirsts Best-Seller bekannten, allzu bekannten Typen in „0 8/15“ — 2. Teil an. Wie im Buch treffen wir die gesamte 0S/l5-Besetzung nun an der Ostfront im Winter 1941/42 an. Ein Etappenoffizier stiftet Unheil und das Geschick des Unteroffiziers Vierbein erfüllt sich. In der Heimat aber singt man nach wie vor „Es ist so schön Soldat zu sein...“ und der zum Oberleutnant avancierte Hauptwachtmeister Schulz — VOMAG (Volksoffizier mit Mannschaftsgesicht) hieß dieser Typ — führt sein altes stures Kasernenhofregiment. Die Stärke dieses Films liegt in den kleinen Episoden, die die stille verschworene Gemeinschaft der wissenden Soldaten gegen den „08/15-Ungeist“ spiegeln. So ist der Held des ganzen eigentlich der unverwüstliche Stabsgefreite Kowalski. Er hat die Sympathien eines guten Teils des männlichen Kinopublikums zweifelsohne für sich. Viel weniger gut gelingt eine größere Aussage. Zwar wird im Gegensatz zu „Kinder, Mütter und ein General“ nicht eine „Wertgleichheit“ hineingeschmuggelt. (Hier das Gesetz der Mutterliebe, das den Müttern vorschreibt, ihren Kindern bis in die Feuerlinie zu folgen — dort das Gesetz des Generals, das ihm nicht nur gestattet, sondern gebietet, in der Not aus 14jährigen Buben Soldaten -u machen.) Der vergangene Krieg wird sogar aus dem Munde des Oberstleutnants von Plönnies (eine aus Kirsts Buch unbekannte Figur; sie wurde erfunden an Stelle von Oberst Luschke, dessen Darsteller vor dem zweiten Film gestorben war) bei seinem wahren Namen genannt und als ein Wahnsinn und als ein Verbrechen bezeichnet. Dennoch kommt der Film über diesen Ansatz zu einer tieferen Aussage nicht hinaus. An einer Stelle, wo er es versucht, rutscht er sogar stark über die Grenzen des guten Geschmacks ab. (Der Unteroffizier Vierbein sieht eine mit Gesang zur Front abgehende Marschkompanie. Plötzlich verwandeln sich die Gesichter in Totenköpfe, aus deren zahnlosem Mund noch immer der schaurige Chorus ertönt „... nicht jeder Tag bringt Sonnenschein, Rosemariel“) Da wäre es schon besser und ehrlicher gewesen, sich an den Schluß des Kirst-Buches zu halten. Dort steht in harten Worten, welche Gedanken der Tod Vierbeins bei seinen Freunden auslöste.

„Für dieses Deutschland will ich nicht sterben!“, sagte der Wachtmeister Asch.

„Wer fragt dich denn danach?“ wollte Kowalski wissen.

„Es muß ein anderes Deutschland geben, für das es sich zu sterben lohnt.“

„Mensch!“, sagte Kowalski, „vielleicht gibt es sogar einmal ein Deutschland, in dem es Spaß macht zu leben!“

In dem Film aber stehen die beiden an dem von einem russischen Panzer geschaufelten Grab ihres Freundes und lesen den letzten Liebesbrief des Toten an seine Braut, in dem von Kinderchens, einem Fenster und Sonnenschein die Rede ist.

Dieses Ende dünkt uns doch etwas zu „salomonisch“. Ebenso das Verschwinden der Szene, in der der Wachtmeister Asch den Hals über Kopf flüchtenden Hauptmann Witterer, der aus Sucht nach dem E. K. die Geschützbedienung Vierbeins geopfert hat, mit vorgehaltener Pistole von der Zugmaschine herunterholt.

Blieben diese Szenen aus demselben Grunde weg, aus dem selbst in Oesterreich einige Leute keine besondere Freude an der gegenwärtigen Aufführung dieses Streifens haben?

Wenn ja, dann dünkt uns dies doch etwas zu stark nach dem Schema 08/15 gehandelt. Diesmal aber nicht nach dem Hans Hellmut Kirsts, sondern nach jenem des Teufels Hauptmanns (Witterer) und Wachtmeisters (Platzek) ...

„Jagd ohne Gnade“ ist der Titel eines neoveristischen italienischen Meisterfilms, der seinerzeit in Venedig ausgezeichnet wurde. Meisterhaft ist vor allem die Photographie, sind die Typen, von schrecklicher Härte die „Handlung“: nach einein dilettantisch durchgeführten Kassenraub werden die Täter, einer nach dem andern, in den Tod getrieben. Der erste wird von der Polizei auf der Flucht erschossen, der zweite begeht, von seinen Verfolgern umstellt, Selbstmord, der dritte wird von Mitgliedern einer richtigen Verbrecherbande ermordet — und nur der jüngste, ein Schüler, der in diese finstere Sache hineingeraten ist, wird durch die Tränen seiner Mutter bewogen, sich selbst zu stellen, und kommt mit dem Leben davon. In Erinnerung bleibt vor allem Paul Müller in der Charakterrolle eines erfolglosen Malers (eines der schuldigen Opfer), während Gina Lollobrigida nur in einer Nebenrolle und recht matt agiert.

„Der goldene Garten“ - das ist Kalifornien, farbig gesehen von Hans Domnick. Diesen goldenen Garten begrenzen die beiden gegensätzlichen Städte Los Angeles und San Franzisko; das erstere von Autos durchrast, die den Fußgänger fast vollständig verdrängt haben, das letztere daneben fast konservativ-ruhig wirkend. Regisseur und Kameramann haben diesen faszinierenden Film garfz auf Gegensätze gestellt. Hier die Urnatur des Grand-Canon-Gebietes, dort die sich hektisch überschlagende Zivilisation. Dieser hochinteressante Film, aus dem man mehr über Amerika erfährt als aus dicken Büchern, wirkt wie eine Bestätigung der These des Schweizer Journalisten Hans Jungk: Dort drüben hat tatsächlich die Zukunft schon begonnen.

H. A. F.

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