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Vor Illusionen wird gewarnt

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Vor zwei Jahren wurde das Abkommen zwischen dem Vatikan und der ungarischen Regierung geschlossen: Es soll hier nicht untersucht werden, was dieses Abkommen brachte, was es nicht brachte, welche Hoffnungen sich daran knüpften und welche Enttäuschungen sich schließlich einstellten. Ein „Jubiläum“ zu feiern liegt kein Anlaß vor, aber auch kein Anlaß für bittere Enttäuschung. Das Abkommen hat das gebracht, wozu es geschlossen wurde: die Ernennung von fünf Bischöfen. Es hat in einem Land, wo die Hierarchie zum Teil ausgeschaltet war, wo die Gefahr bestand, daß der Staat durch ihm ergebene Priester die Kirche manipulieren könnte, wenigstens einige der vakanten Bischofsstühle mit einwandfreien Männern neu besetzt. Es hat freilich nicht gebracht und konnte auch nicht bringen: Eine grundsätzliche Änderung der Gesamtsituation. Nach wie vor befindet sich die Kirche in Ungarn in einem zähen und harten Abwehrkampf gegen ein Regime, das zwar aus taktischen Gründen eine gewisse Modifikation seiner Einstellung vorgenommen hat, dessen grundsätzliche Ansicht von der Überflüssigkeit, ja Schädlichkeit jeder Religion für den „Fortschritt der Menschheit“ sich nicht gewandelt hat. Wer an eine grundsätzliche Änderung, einen völligen geistigen Wandel geglaubt hat, mußte enttäuscht werden. Illusionen wurden nicht eingelöst. Sicherlich: es ist nicht so, daß eine solche Änderung für alle Zukunft unmöglich wäre. Sie wird aber dort kaum eintreten, wo der Kommunismus im Besitz der Macht ist. Wir sehen heute im westeuropäischen Kommunismus eine Diskussion, die man nicht einfach als Taktik abwerten sollte.

Vor Illusionen hat nicht zuletzt immer wieder Kardinal König gewarnt, dessen Name stets dann genannt wird, wenn man von Versuchen zur Anbahnung neuer Entwicklungen im Verhältnis von Staat und Kirche in Osteuropa spricht. Der Kardinal hat gesagt, er erwarte sich keine grundsätzliche Änderung in der Ideologie des Kommunismus und damit auch in dessen Verhältnis zu Religion und Kirche. Wohl aber glaube er an den Erfolg kleiner praktischer Schritte, die zu einer De-facto-Änderung dieser Situation führen könnten. Dies erfordere, wie alles im Leben, Geduld, Geduld und nochmals Geduld und das Bewußtsein, auch Enttäuschungen und Rückschläge in Rechnung stellen zu müssen.

Kardinal König hat vor kurzem überraschend eine zweitägige Reise in die Tschechoslowakei unternommen. Er hat drei slowakische Bischöfe besucht, die einzigen in verhältnismäßiger Freiheit amtierenden Bischöfe im Staate, sieht man von dem Nachfolger Berans in Prag, Tomasche k, ab. Gleichzeitig verdichten sich die Nachrichten, die von einer Intensivierung der nie gänzlich abgerissenen Gespräche zwischen dem Vatikan und der Prager Regierung zu berichten wissen. Die Mißerfolge der atheistischen Propaganda, das Bemühen, die gerade in der Tschechoslowakei noch sehr merkbaren Reste eines stalinisti- schen Kirchenkampfes abzubauen, um das Image einer gewissen geistigen Liberalität, um das das Regime bemüht ist, auch auf diesem Gebiet dem Ausland gegenüber glaubhaft zu machen, das Scheitern der Bestrebungen, eine regimehörige Kirche im Lande aufzubauen, das alles mag Prag dazu bewogen haben, wieder mit dem Vatikan ins Gespräch zu kommen und dem Wiener Erzbischof die Besuchsreise in die Slowakei zu gestatten. Wenn es in der Tschechoslowakei in absehbarer Zeit zu einem ähnlichen Abkommen wie in Ungarn kommen sollte — auch hier sind Fragen der Bischöfe, des Priesternachwüchses, des Religionsunterrichtes und eines Minimums an religiöser Information am brennendsten — , dann wird man auch dies nicht mit Illusionen beschweren dürfen: Es geht nur Schritt für Schritt. Wachsamkeit und Geduld sind auch hier die Voraussetzungen einer Hoffnung, die über Erfolge und Mißerfolge des Tages hinaus mit größeren Gewißheiten rechnen darf.

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