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Werden und Wandlungen des Bergsteigens

19451960198020002020

Von R. L. G. Irving. Verlag Adolf Holzhausens Nfg., Wien. 360 Seiten, 21 Bildtafeln, 7 Zeichnungen und Kartenskizzen

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Von R. L. G. Irving. Verlag Adolf Holzhausens Nfg., Wien. 360 Seiten, 21 Bildtafeln, 7 Zeichnungen und Kartenskizzen

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Als in den zwei Jahrzehnten zwischen den beiden Weltkriegen das Bergsteigen zur Massenbewegung und der Alpinismus zum extremen Sport wurden, war die Epoche der „klassischen Alpinistik", der Bergleidenschaft aus Hingabe an die einzigartige Schönheit der einsamen Hochgebirgsnatur, bereits abgeschlossen. In diesen Jahren, da immer mehr Menschen den Weg ins Gebirge nahmen und das Wandern in den Bergen neben dem Baden in Strom und See zu d e r Freizeitverbringung schlechthin wurde, erwuchs aus ersten, vereinzelten Anfängen die Flut der alpinen Literatur, die schließlich mit den knapp vor Beginn des letzten Krieges erschienenen Erlebnisbüchern der Durchkletterer der „letzten Nordwände in den Alpen wieder abzuebben begann. Hatte es für uns hierzulande zunächst den Anschein, als ob der Rückgang des Bergsteigens und des alpinen Wanderns mit den Verhältnissen der Nachkriegszeit, mit dem Nichtfunktionieren der Verkehrsmittel, dem Ausfall vieler Schutzhütten und dem Zerfall großer alpiner Verbände allein zusammenhinge, so zeigt sich heute, daß auch außerhalb unserer Grenzen die große Schwungkraft des Bergsteigens als Massensport verloren zu sein scheint. Weder die großen Arbeitertouristenvereine noch die bürgerlichen alpinen Organisationen können mehr jene Scharen um sich sammeln wie noch vor zwei Jahrzehnten, außerdem sind ihre Mitgliedskreise überaltet und entsprechen nicht dem aktiven Bergsteigertum. Ganz unabhängig davon, aber als Symptom vollkommen parallel, verläuft die Entwicklung auf dem Gebiete des sportlichen Alpinismus. Weder der Extremismus mit der rein technischen „Lösung“ der „letzten und „allerletzten“ Probleme noch die starke Hinneigung zur Winteralpinistik finden jenen Widerhall, der seinerzeit den großen Klettereien in Kalk und Urgestein zuteil wurde. Es wäre eine besondere und sehr interessante Aufgabe, die Gründe und Ur-

ouc-cic-n uitour um vv itniuny z,u vciiuiycu, lillieil nicht unwesentlichen, freilich mehr auf dem philosophischen Gebiet liegenden Beitrag dazu bietet die soeben erschienene deutsche Übertragung des Buches von R. L. G. Irving, der sowohl durch seine eigenen großen Bergfahrten in den Alpen wie auch durch die Taten seines auf der Gipfelroute des Mount Everest vermißten Schülers Mallory bekannt und hinreichend legitimiert erscheint, das Thema zu behandeln. Wenn dieses Buch auch tatsächlich alle Phasen der Entwicklung der Alpinistik aufzeigt und vor allem in meisterhaften Schilderungen und geschickt gewählten Auszügen und Zitaten das Verhältnis des Menschen zum Berg zu schildern vermag, so wird es doch niemals trocken oder rein akademisch, sondern stets hält es die sehr persönliche Art des Autors und die immer wieder von Erlebnissen unterbrochene Form der Darstellung im Fluß, so daß es fast zum Roman des Bergsteigens wird und doch einen ernstzunehmenden Beitrag zur grundsätzlichen Philosophie des Bergsteigens bildet. Die sehr sorgsame und sprachlich wohlgelungene Übertragung von Dr. Paul Kaltenegger hat dem Buch jede Eigenart gelassen und ihm doch jeden störenden oder betonten Akzent zu nehmen verstanden. Jedem, der selbst die Berge liebt, dem überhaupt die Natur und die Schönheit der unberührten Landschaft etwas zu sagen haben, wird dieses Buch gerne und mit großem Gewinn lesen, dem die Eintönigkeit sich wiederholender „Beschreibungen" ebenso fehlt wie das falsche Pathos, welches so viele der zahllosen Bergbücher kennzeichnete. Wie sehr es auch auf diesem Sektor literarischen Schaffens darauf ankommt, daß der Autor etwas Wesentliches zu sagen hat, beweist die Tatsache, daß trotz der vielen Titel auf dem Gebiet der alpinen Literatur hier wirklich etwas Neues erschien.

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