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Zum Eichmann-Prozeß erschienen

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DIE FESTNAHME DES ADOLF EICHMANN. Von Moshe Pearlman. S.-Fischer- Verlag, Frankfurt am Main 1961. 249 Seiten. — ICH JAGTE EICHMANN. Tatsachenbericht. Von Simon Wiesenthal. SM-Biicher. Sigbert-Mohn-Verlag, Gütersloh 1961. 254 Seiten. - EICHMANN UND KOMPLICEN. Von Robert. M. W. Kempner. Europa-Verlag, Zürich-Stuttgart-Wien 1961. 451 Seiten.

Es war fast selbstverständlich, daß die Festnahme Adolf Eichmanns und der : Prozeß eine Fülle von Sensationsartikeln [ und sogenannten zeitgeschichtlichen Veröffentlichungen verursachen würde. Dabei • ist für den Historiker der Zeitgeschichte das Problem Eichmann längst in den Akten und bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten ziemlich klar erfaßbar gewesen. Zunächst ■ haben die Ausgaben des Nürnberger Prozesses, die, Arbeiten von Reitlinger und vor allem von Poliakov-Wulf neben anderen einschlägigen Untersuchungen die Rolle Eichmanns längst aufgezeigt, ehe die obzitierte Hut an „neuen Enthüllungen“ einsetzte. Der Historiker muß, wenn er sich objektiv mit dem Problem deT jüngsten Geschichte auseinandersetzt, sehr genau Konjunkturliteratur und ernste Aussagen unterscheiden.

Von den drei vorliegenden Werken, die, wie ausdrücklich betont werden muß, nur einen Ausschnitt aus der gegenwärtigen Hochflut zum Thema Eichmann darstellen, verdient jedes eine besondere Bewertung. Zunächst der Tatsachenbericht von Moshe P e a r 1 m a n, der als Oberst der israelischen Armee eine Reihe höchster Ämter bekleidet hat und zuletzt im diplomatischen Dienst tätig war. 1946 begegnete er, noch als Zeitungskorrespondent, dem SS-"Hauptsturmführer Dieter Wisliceny, den er vor dessen Hinrichtung im Zentralgefängnis von Preßburg über Eichmann interviewen konnte. Auf dieser Aussage des engsten Mitarbeiters baut sich die Darstellung der Festnahme Eichmanns auf und verarbeitet offensichtlich Fakten, die Pearlman auf Grund seiner verschiedenen hohen amtlichen Stellungen bezüglich der Ergreifung Eichmanns zugänglich waren.

Ganz anderen Charakter hat der flüssig geschriebene Tatsachenbericht von Simon Wiesenthal. Der Verfasser, der sich nach seiner Befreiung aus dem KZ Mauthausen in Linz niederließ, betrachtete die Jagd nach Eichmann als seine Lebensaufgabe und hat sicherlich durch die Anlegung eines privaten Dokumentationszentrums sehr viel dazu beigetragen, daß eine Klärung dieses düsteren Abschnittes der jüngsten Geschichte erfolgen konnte. An dem Bericht, der für den Historiker leider — wie misdrücklich zu bemerken ist — ohne Fußnoten und Hinweise auf die betreffenden Quellen verfaßt wurde, S sind einzelne Partien von höchster Wich- j tigkeit (so etwa S. 200), nämlich das merkwürdige Verschwinden von Dr. Otto Wächter, des Hauptverantwortlichen für den 25. Juli 1934, wobei Wiesenthal noch immer ungeklärte Linien nach Rom ausdrücklich anführt.

Für die historische Forschung von besonderer Bedeutung ist das Werk von Ro- [ bert M. W. K e m p n e r. Der einstmalige Beamte des preußischen Innenministeriums und Hauptankläger im Wilhelmstraßen- i prozeß hatte offenkundlich schon vor der - Ergreifung Eichmanns dieses Werk geplant. Hier liegt in Ergänzung zu Reit- , linger und Poliakov-Wulf eine auf fester Aktenbasis beruhende Arbeit vor, an der die historische Forschung keineswegs Vorbeigehen kann. Der Vorteil des Buches von Kempner ist die reichhaltige Anführung von Originalakten, teilweise sogar in faksimilierter Wiedergabe, sowie die in den bisherigen Arbeiten über den Nürnberger Prozeß und die übrigen Nebenprozesse noch nicht veröffentlichten Einvernahmen, welche Kempner durchführte. Daraus ergibt sich wieder, im Gegensatz zu manchen vereinfachenden Darstellungen der oben angeführten sogenannten Sensationsberichte, daß Eichmanns Weg zur „Endlösung“ stufenweise gegen manche Widerstände durchgesetzt wurde, wobei auch die Querverbindungen zu der so verwickelten und schwer überschaubaren Bürokratie des Driften Reiches klar zutage treten. Vcrtt wirklicher historischer Objektivität getragen Sind die Erkenntnisse, daß Eichmann sich auch beträchtlichen Hindernissen gegenübersah, wie etwa in Italien, Bulgarien und Dänemark, wo sich verschiedene Instanzen erfolgreich seinem Vorhaben, der totalen Vernichtung des europäischen Judentums, entgegensetzten. Prof. Kempner hat in objektiver und vornehmer Weise in seinem Buch auf diese Tatsachen hingewiesen.

Eine endgültige Klärung wird wohl erst nach Veröffentlichung des amtlichen Berichtes über den Eichmann-Prozeß erfolgen können. Somit sind die vorliegenden drei Werke eine wertvolle Vorarbeit zur Untersuchung dieses dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte.

Univ.-Doz. Dr. L. Jedlicka

DIE BLUMEN VON HIROSHIMA.

Roman. Von Edita Morris. Übertragen von Sophie Angermann. Nachwort von Robert Jungk. Süddeutscher Verlag, München 1960. 210 Seiten. Preis 12.80 D-Mark.

Die amerikanische A-Bombe, der „Pi- kadon“ (Donnerblitz), hat Hiroshima zerstört. Sie hat das Leben der Überlebenden ins Siechtum gedrängt: in der Enge langsamen Zerfalls blühen seltsame Blumen,

— uns Westlichen fremd und unverständlich. Mit dem Zauber japanischer Höflichkeit — so schildert der Roman — wird ein großer, starker Amerikaner in einer Familie aufgenommen, deren Hausgenossen und Freunde atomkrank sind. Er merkte es lange nicht, weil das Zeremoniell des täglichen Lebens alle Schatten „ausleuchtet". Frau Yuka-san lächelt, liebt Vögel und den Sang ihrer kleinen Stimme, liebt ihren Gatten Fumio, der bis in den heroischen Tod als Mechaniker arbeitet; liebt abgöttisch ihre kleine Schwester Ohatsu, die über die Kindheitserlebnisse sich hinwegtäuscht mit Illusionen, bis sie die Liehe findet. — So schreckhaft-schrecklich die Tatsachen in diesem Roman sind,

— die Menschen und ihre Lebenshaltung stammen wie aus einem Märchen; fasziniert liest man. Und wir fragen uns derweilen, was „menschlicher“ ist: den Schmerz und das Schicksal laut und öffentlich zu beschimpfen?, oder in Gottergebenheit zu schweigen?, oder mit der Kraft des Herzens so leise und lächelnd, höflich und „züchtig“ sich zu benehmen, daß wir niemand zur Last fallen? Was der gesunde Amerikaner in das sterbende Schmerzantlitz des Fumio sagt, das denkt man am Ende dieses Buches; „Ich möchte Ihnen danken — ich meine, ihnen für das danken, was Sie jetzt durchmachen." S o zu leiden, das hat Sinn .

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