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Der Anti-Aging-Boom wird zunehmend kritisiert und ein gesundes sowie aktives Altwerden beworben. Wohl fast jeder Mensch will alt werden, doch niemand will alt ausschauen und alt sein. Der Traum von der ewigen Jugend ist so alt wie die Menschheit, doch noch nie zuvor in deren Geschichte scheint der Mensch diesem Traum tatsächlich ein winziges Stück näher gekommen zu sein: Die Lebenserwartung steigt zunehmend sowie der Umsatz derer, die das Jungbleiben versprechen. Doch die wachsende Zahl älterer Menschen stellt die Gesellschaft vor neue große, vielfach noch ungelösten Herausforderungen.

Einfach altern ist, wenn man den Ratgeber-Büchermarkt sortiert, schlichtweg verpönt. Wer heutzutage alt wird, muss etwas tun. Aber was - darüber streiten sich zahlreiche studierte oder selbst ernannte Experten sowie die Betroffenen selbst, eben die Alternden, also wir alle.

Es ist ein Kampf der Lebenskonzepte: Auf einer Seite die Anti-Aging-Verfechter, deren Aushängeschilder meist 70-jährige Hollywood-Stars sind, denen man dank Schönheitsoperationen, diversen Wundermitteln und guter Kameraeinstellung auch abkaufen würde, dass sie 40 sind. Auf der anderen Seite stehen die Kritiker, die den neuen Begriff "Pro-Aging" prägen, und einen gesunden, aktiven Senior vor Augen haben, der stolz auf jede Falte ist, aber dafür noch immer beim Wien-Marathon mithalten kann.

Begriffswirrwarr

Wieder einige halten sich aus dem Streit der Begriffe heraus und betonen angesichts der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft die Wichtigkeit der seriösen alterspräventiven Medizin (siehe Interview auf Seite 22).

Die Schlagwörter verschwimmen beim näheren Blick ohnedies. "Anti-Aging" wird genauso für gesundes und aktives Altern gebraucht wie "Pro-Aging". Umstritten sind vor allem die Fragen, ob mittels Lebensmittelergänzungspräparate, Hormone, diverser Kuren und spezieller Diäten oder gar durch Schönheitsoperationen der Alterungsprozess verlangsamt werden soll, oder ob die Maxime - gesunde Ernährung und regelmäßig Bewegung - ausreicht. Hier scheiden sich die Geister, auch in der Wissenschaft.

Den Einsatz von Hormonen, etwa als Hormonersatztherapie in der Menopause oder als Kosmetik, verteidigt Johannes Huber, Leiter der Abteilung für gynäkologische Endokrinologie am AKH Wien. "Es geht darum, dass man es richtig macht, deshalb schreibe ich auch so viel darüber", betont Huber. "Einer Frau, die es nicht braucht und keine Beschwerden hat, wird man keine Hormone geben. Aber wenn Beschwerden da sind, dann habe ich den Auftrag zu helfen. Die ewige Jugend kann man aber nicht herstellen", plädiert er für den ganz gezielten Einsatz von Hormonen. Der Frauenarzt weist eingehend auf die Bedeutung der Hormone im Alterungsprozess hin: Die Eierstockhormone Östrogen, Progesteron und Androgen werden seit Jahren zur Linderung von altersbedingten Leiden herangezogen. Das Wachstumshormon wird im Alter zunehmend weniger produziert und kann zur Schwächung des Immunsystems, zur Veränderung der Gestalt sowie zu chronischen Erschöpfungszuständen führen.

Die derzeit in der Anti-Aging-Forschung viel genannten Hormone wie Melatonin oder DHEA, die zahlreiche Zellprozesse verlangsamen, werden ebenso im Alter immer weniger gebildet. Huber macht auch auf die Wirksamkeit des Dinner-Cancelling-Konzeps aufmerksam, also die Abendmahlzeit so gering wie möglich zu halten oder am besten ganz zu streichen. Studien hätten klar den Erfolg dieser Strategie gegen das Altern belegt.

Schönheitsoperationen sieht der Hormonexperte aber skeptisch. Diese seien viel verletzender, traumatisierender und belastender für den Betroffenen als eine Hormontherapie. Natürlich sei es falsch, Hormone übers Internet zu bestellen. Wenn Hormone, dann müsse man es richtig machen, warnt Huber vor dem Missbrauch. Tatsächlich boomt der Internetmarkt mit Jungbrunnenpillen. Hormonpräparate dürfen in Österreich zwar nur durch einen Arzt verordnet werden. Online können sie aber aus den USA oder den Niederlanden bezogen werden. Im günstigsten Fall - warnen Konsumentenschützer - wird das zweifelhafte Präparat vom Zoll beschlagnahmt.

Doch selbst unter ärztlicher Aufsicht sind manche Mediziner skeptisch gegenüber dem Einsatz von Hormonen, wie zum Beispiel die deutsche Ärztin und frühere Schauspielerin Marianne Koch, die in ihrem Buch "Körper-Intelligenz - Was Sie wissen sollen, um jung zu bleiben" darauf hinweist, dass es keine endgültige Sicherheit in Bezug auf Nebenwirkungen und Wechselwirkungen gibt.

Umstrittene Hormone

Ähnliche Divergenzen gibt es in punkto Nahrungsergänzungspillen. Die Konsumenten haben oft kaum mehr den Durchblick, ob nun die zusätzliche Einnahme von Vitamincocktails Nutzen hat oder nicht. Oft stehen sich Studien widersprüchlich gegenüber, geben Verbraucherschützer zu bedenken. Die meisten Experten sind sich aber einig; gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und ein aktives Sozialleben sind Grundvoraussetzung für ein gesundes Altern.

Aber hat sich angesichts des Anti-Aging-Booms auch das Bild des älteren Menschen in der Gesellschaft verändert? Sehen wir den Senior oder die Seniorin von heute als aktiver, gesünder und jünger aussehend?

"Nein, das Bild des alten Menschen hat sich in den letzten 15 Jahren nicht verändert", betont Gerhard Majce, Professor für Soziologie an der Universität Wien. Der Experte für Alterssoziologie führte 1989 und 2005 eine repräsentative Untersuchung über das Altersbild der Österreicher durch.

Nach wie vor sehen wir den alten Menschen als eher ruhig, genügsam, bescheiden, konservativ, gewissenhaft und sparsam. Eine minimale aber keineswegs signifikante Verschiebung gab es nur bei den Eigenschaften "Stark oder schwach" zugunsten des Attributs "stark". Auch die Befragten, die älter als 60 Jahre sind, sehen keine Veränderung des Bildes. Stereotype und Vorurteile würden eben langlebiger sein als gesellschaftliche Veränderungen, betont Majce in der Studie.

Der Begriff "alt" habe eine Doppelbedeutung, erklärt Gerhard Majce. Ein positives Bild eines alten Menschen könne beim geringsten Anlass sofort in ein negatives "kippen". "Die Gesellschaft ist wahnsinnig tolerant, aber passiert nur eine Kleinigkeit, dann holt man sofort Vorurteile aus der Tasche." Dann wird eben aus dem alten, aktiven Menschen sofort ein kranker Pflegefall.

Irreführend sei auch der Begriff "50 plus", der immer stärker in Medien, Politik und Wissenschaft auftauche, ärgert sich der Sozialgerontologe über dieses neue Schlagwort. Es müsse zwischen den "jungen Alten" (bis etwa 75 Jahre) und den "alten Alten" unterschieden werden. Letztere Gruppe sei besonders mit negativen Vorurteilen konfrontiert. Aber auch die Gruppe der jüngeren Senioren müsse sich mit Vorurteilen herumschlagen, etwa mit jenem immer stärker propagierten Bild: dem immer aktiven Rentner, der reist und sportlich hochaktiv ist. Wer da nicht mithält, fühlt sich leicht diskriminiert.

Gibt es aber angesichts der Kritik an Anti-Aging-Mitteln und Schönheitsoperationen eine Renaissance des Bildes vom weisen, alten, erfahrenen Menschen, wofür manche plädieren? Immerhin werden auch fernöstliche Philosophien immer beliebter und gerade in China galt der alte Mensch als Inbegriff von Weisheit, Erfahrung und Spiritualität. Auch in afrikanischen Kulturen genießen betagtere Menschen hohen Respekt. Der Soziologe Majce sieht diesen Trend ganz und gar nicht: Das Handy, der Computer, das Internet, eine immer größere Informationsflut und die Schnelllebigkeit; all das stehe diesem Bild entgegen. "Wie soll ein Großvater einem jungen Menschen Vorbild sein, der lebte ja in einer ganz anderen Zeit", sagt Majce. "Der Jugendlichkeitswahn wird sicher nicht so schnell verschwinden, vermutet der Soziologe.

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