Indonesien

Bevölkerungsexplosion, Luftverschmutzung: Indonesien verlegt Regierungssitz in den Dschungel

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Indonesien verlegt seinen Regierungssitz von Java nach Borneo. Die brandneue Supercity mitten im Dschungel soll „Nusantara“ heißen und 2024 eingeweiht werden. Die dafür notwendige Rodung des Regenwaldes hat längst begonnen.

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Indonesien verlegt seinen Regierungssitz von Java nach Borneo. Die brandneue Supercity mitten im Dschungel soll „Nusantara“ heißen und 2024 eingeweiht werden. Die dafür notwendige Rodung des Regenwaldes hat längst begonnen.

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Borneo ist nach Grönland und Neuguinea die drittgrößte Insel der Welt. Mit 750.000 Quadratkilometern neunmal größer als Österreich, ist das Eiland auf drei Staaten aufgeteilt: Brunei Darussalam, Malaysia und Indonesien. Kalimantan, wie die indonesische Provinz heißt, umfasst rund drei Viertel der Inselfläche und beheimatet etwa 20 Millionen Menschen. Indonesiens Peripherie lebt – vor dem Hintergrund massiver Abholzung der tropischen Regenwälder – von Holzexport, Palmölplantagen und Kautschukproduktion und spielt aktuell eine politische Nebenrolle.

Doch genau das soll sich nun ändern: Die Hauptstadt des größten Inselstaates der Welt, dessen aktuelle Bevölkerung auf über 270 Millionen Menschen geschätzt wird, soll nach Ostkalimantan verlegt werden. Der Plan ist nicht neu und existierte in Grundzügen bereits seit der Präsidentschaft von Sukarno, Indonesiens erstem Präsidenten nach der Unabhängigkeit 1949. Auch seine Nachfolger Suharto und Susilo Bambang Yudhoyono stellten Überlegungen an, das stark überbevölkerte Jakarta zu entlasten und als politische Schaltzentrale abzulösen.

Industrie pumpt Grundwasser ab

Doch erst der aktuelle Präsident Joko Widodo („Jokowi“) macht ernst. Er konkretisierte die Pläne 2019, gab dem designierten Stadtgebilde einen Namen und ließ für das Projekt ein Budget von 34 Milliarden US-Dollar verabschieden: Die Capital City of Nusantara (Ibu Kota Nusantara, IKN) wird nach Fertigstellung eine eigene Verwaltungseinheit namens Otoria bilden, für die mittlerweile bereits eine eigene Behörde eingerichtet wurde. „Nusantara“ ist ein altjavanisches Wort, das so viel wie „äußere Inseln“ bedeutet und oft als Synonym für den indonesischen Archipel verwendet wird.

Ein solcher Hauptstadtumzug ist in Südostasien nichts völlig Neues: Auch die neuen Regierungssitze von Malaysia (Putrajaya, 2003) und Myanmar (Naypyidaw, 2006) wurden am Reißbrett entworfen. Die Motive: Bevölkerungsdruck und Emissionen. Angesichts des indonesischen Umzugs kommen noch weitere Probleme hinzu, die auf Jakarta lasten. So liegt die Stadt auf der Insel Java, eine der dichtest besiedelten Regionen der Welt (etwa eineinhalbmal so groß wie Österreich). Auf nur sieben Prozent der Staatsfläche wohnen in Indonesien damit über 60 Prozent der gesamten Bevölkerung. Jakarta zählt etwa 35 Millionen Menschen und gilt als einer der größten Ballungsräume der Welt.

Mittlerweile kommt es regelmäßig zu Überschwemmungen, weil 40 Prozent der Hauptstadt unter dem Meeresspiegel liegen. Bis 2050 könnte laut Expert(inn)en das gesamte Gebiet von Nordjakarta überflutet sein, auch ohne jede Einberechnung des zusätzlich klimawandelbedingten Anstiegs des Meeresspiegels. Hauptursache davon ist vor allem das exzessive Abpumpen von Grundwasser für industrielle Zwecke, womit – begünstigt durch das Gewicht der Bauwerke – die Stadt buchstäblich versinkt: je nach Lage bis zu 20 Zentimeter jährlich, unregelmäßig intensiv, aber stetig.

Verrufenes Verkehrsmoloch

Hinzu kommen – neben latenten Bedrohungen durch tektonische Naturkatastrophen – eine hohe Luftverschmutzung und der tägliche Verkehrskollaps: Statistisch 22 Tage jährlich verbringt ein Mensch, der in Jakarta wohnt, durchschnittlich im Stau. Mehrfach wurde die Metropolregion als schlimmster Verkehrsmoloch der Welt bezeichnet. Aus den Außenbezirken pendeln täglich mehr als drei Millionen Menschen in die City.

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