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Ein Beispiel für andere

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Man kann heute sagen, daß das Beispiel Tanganjikas, dem die Volkstumskämpfe und Spaltungen des Kongo oder Kenias erspart blieben, seinen Eindruck auf die übrigen Nachbarstaaten nicht verfehlt hat. Zu den positiven Ergebnissen dieses Einflusses gehört es auch, wenn in Kenia zehn Jahre nach dem Mau-Mau-Aufstand Kenyatta selbst sich an die europäischen Siedler wenden und diese bitten konnte, die Vergangenheit zu vergessen und im Land zu bleiben. Doch ist bei all dem nie ein Zweifel an der kompromißlos-nationalen Linie Nyereres und seiner Partei entstanden noch haben sich diese wie etwa Nkrumah in Westafrika durch Pläne eines Strebens nach Vorherrschaft bei ihren Nachbarn unbeliebt gemacht, wiewohl sie konsequent für „panafrikanische“ Ideen eintraten.

„Haus des Friedens“

In einem noch aus der deutschen Zeit stammenden Haus in Dar Es-Salam hat heute auch die „Panafrikanische

Freiheitsbewegung für Ost-, Zentral- und Südafrika" (PAFMECSA) ihren Sitz. Zugleich ist Daressalam (das „Haus des Friedens“) auch zur hauptsächlichen Zufluchtsstätte von Flüchtlingen aus anderen afrikanischen Ländern geworden und beherbergt auch die Parteizentralen von Exilparteien. Man könnte erstaunt sein, wie „europäisch“ man solcherart im neuen Afrika geworden und mit Genf, München, Stockholm oder London zu verschiedenen Zeiten der letzten Jahrzehnte in Wettbewerb getreten ist!

Der amerikanische Korrespondent Glickman bezifferte die Anzahl der „Politiker“ aus den unter Kolonialherrschaft stehenden portugiesischen und britischen Gebieten sowie aus Südafrika vor kurzem auf 120. Etwa doppelt so viele afrikanische Studenten, das heißt junge Afrikaner, die eine Ausbildung suchen, die sie daheim nicht erhalten können oder dürfen, erhalten von der tanganjikanischen Regierung eine Unterstützung von rund drei Dollar wöchentlich und freie Unterkunft in einem eigenen Camp, das allerdings nur hundert von ihnen beherbergen kann, aber die Regierung weitere 14.000 Dollar im Jahr kostet. Ein Drittel dieser Kosten trägt der Oxforder Fonds zur Bekämpfung der Hungersnot.

Die Anzahl der aus dem angrenzenden portugiesischen Mosambik stammenden Afrikaner in Tanganjika ist allerdings eine viel größere; sie wird auf 100.000 geschätzt und umfaßt hauptsächlich Wanderarbeiter oder auch ansässige Zuwanderer. Immerhin existiert auch, in der Nähe der Grenze, ein eigenes Flüchtlingslager für Mosambikaner. Für viele Flüchtlinge mit Studienabsichten ist Daressalam nur Durchgangsstation: Man soll hier Studienstipendien in 20 anderen Ländern Afrikas, Europas, des Ostblocks einschließlich Rotchina und Amerika erhalten können. Die USA vergeben jährlich 45 Freiplätze an der Lincoln-Universität in Pennsylvanien; Angebot und Nachfrage auf dem übrigen Markt ist sonst wahrscheinlich nur den lokalen Vertretern der westlichen und östlichen Geheimdienste bekannt.

Exilparteien aus Mosambik, Südrhodesien, Südafrika und dem unter südafrikanischer Verwaltung stehenden ehemaligen Deutsch-Südwestafrika haben Büros in Daressalam. Darüber hinaus hat die TANU auch die afrikanischen Nationalisten in denjenigen Ländern unterstützt, deren Entwicklung zur Unabhängigkeit bereits im Gang ist, Geld, Autos und wo dies möglich war sogar Wahlredner Kenia, Sansibar und Nordrhodesien gesendet. Sie hat die Emigranten auch ermuntert, ihre internen Spaltungen zu überwinden: Vor einem Jahr haben sich drei verschiedene „Parteien“ von Mosambikanern in Daressalam zusammengeschlossen. Natürlich fehlt auch der „Freiheitssender“ nicht: Radio Tanganjika unterstützte nicht nur die Wahlkampagne der Bruderparteien in Njassa- land und Nordrhodesien, sondern wendet sich auch an afrikanische Hörer weit drunten im „weißen“ Süden …

Um des Glaubens willen

Weniger das Interesse der Großmächte und der Politiker haben zwei andere, nicht in Daressalam konzentrierte, zahlenmäßig gar nicht geringe Gruppen von Flüchtlingen aus anderen afrikanischen Staaten. Aus Ruanda- Urundi; das heute eine unabhängige Republik ist, sind etwa 15.000 Menschen anläßlich des siegreichen Aufstandes der Bahutu gegen die früher herrschende Batutsi-Schichte geflohen. Die meisten davon wurden in zwei großen Flüchtlingslagern in Grenznahe untergebracht oder erreichten in Nachbarschaft dieser Lager notdürftige Be-

helfssiedlungen. Ein kleineres Lager besteht auch in der Nähe der Hauptstadt. Die Flüchtlinge erhielten sogar amerikanisches Überschußgetreide und betrieben auch selbst etwas Anbau. Immerhin kostete ihre Erhaltung die tan- ganjikanische Regierung die für ein Entwicklungsland recht respektable Summe von mehr als 200.000 Dollar, und Tanganjika hofft jetzt, daß das Hochkommissariat der UNO für das Flüchtlingswesen, wie zugesagt, diese Menschen erfolgreich wieder ansiedeln können wird.

Unbekannt ist schließlich die Anzahl der in den letzten Jahren aus dem süd-

liehen Sudan vor der Arabisierungs- und Islamisierungspolitik der Regierung in Khartum geflohenen christlichen Afrikaner. Sie ist aber offenbar gar nicht so gering. Wenn die tanganjika- nische Regierung über diese Flüchtlinge Stillschweigen bewahrt, so nicht nur, um ihre offiziellen Beziehungen zur Regierung des Sudan nicht zu belasten, sondern auch aus einem innerpolitischen Grund. Schließlich ist Tanganjika selbst ein konfessionell gemischter Staat, in dem Muslimen, Christen verschiedener Bekenntnisse und noch heidnische Afrikaner bisher friedlich nebeneinander leben.

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