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Ist die Natur beherrschbar?

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Schon Friedrich Schiller wußte: „ ... mit des Geschickes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten.”

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Schon Friedrich Schiller wußte: „ ... mit des Geschickes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten.”

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Wir sind noch einmal davongekommen. Wir Österreicher sowieso, denn nicht nur ein echter Wiener „geht nicht unter”, doch auch im deutschen Oderbruch hat sich die Lage entspannt. Besonders in Tschechien und Polen ist die I Iochwas-ser-Bilanz aber erschütternd: jeweils mehr als 50 lote, jeweils zumindest 50 Milliarden Schilling Sachschaden. Die dortigen Ansätze zu wirtschaftlichem Aufschwung bleiben im Schlamm stecken.

Das heurige Hochwasser hat Zehntausende ihrer Existenz-basis beraubt. Welche Lehren lassen sich auch für Osterreich, wo bisher allein in Niederösterreich private Schäden von etwa 700 Millionen Schilling gemeldet wurden, ziehen?

In Tschechien und in Polen könnten bei den nächsten Wahlen (in Polen bereits Ende September fällig) auch noch die führenden Politiker hinweggespült werden. Ihnen und ihrem schwerfälligen Apparat lastet man nämlich die NichtBewältigung der Krise an (oft funktionierten nicht einmal die Alarmsirenen). So verzichtete etwa Tschechien, offenbar aus falschem Stolz, auch auf die von Österreichs Bundesheer angebotenen Wasseraufbereitungsanlagen, daraufhin wurden diese nach Polen entsandt. In Deutschland hingegen wurden die Maßnahmen zur Schadensbegrenzung rascher und effektiver eingeleitet, auch die Politiker waren mehr präsent. Als erfreuliche Begleiterscheinung wird auch ein Zusammenwachsen von „Ossis” und „Wessis”, was die Spendenbereitschaft und den Einsatz im betroffenen Gebiet betrifft, registriert.

Die kurzfristigen Maßnahmen, nämlich rasch Häuser trockenzulegen, ehe sich Schimmelpilz festsetzt, Seuchen durch verunreinigtes Wasser zu vermeiden, Deiche und Dämme zu reparieren, erledigen freilich noch nicht die grundsätzlichen Fragen, die nun zu stellen sind: Wie konnte das passieren? Wie kann man sich künftig schützen?

Eine Versicherung gegen Hochwasser gibt es in Österreich, so Reinhard Hübl von der Bundesländer-Versicherung, nicht, nur bestimmte Haushaltsversicherungen sehen in solchen Fällen einen „Katastrophenschutz” von maximal 50.000 oder 100.000 Schilling vor. Josef Schmid von der Österreichischen Hagelversicherung betont, sein Unternehmen biete als einziges in Österreich für landwirtschaftliche Kulturen einen Ersatz der Wiederanbaukosten an, wo Wiederanbau im gleichen Jahr möglich ist, und zudem die volle Abdeckung des Ertragsverlustes bei Grünland.

Es empfiehlt sich daher Eigenvorsorge. Man muß seine Zelte nicht unbedingt in von Hochwasser bedrohten Zonen aufschlagen. Theoretisch sind solche Gefahrenzonen aus den in jeder Gemeinde verfügbaren Flächenwidmungsplänen ersichtlich. Allerdings: Bei einem echten „Jahrhundertregen” erlebt man auch in sonst kaum gefährdeten Gebieten nasse Überraschungen.

Daß heuer Rekordwerte erreicht wurden, bestätigt Christian Krammer, Hydrologe im Amt der Niederösterreichischen Landesregierung: 80 bis 160 Millimeter Niederschlag (= Liter pro Quadratmeter) in 24 Stunden bewirkten „lOOjährliche” Wasserstände der Traisen, Erlauf, Gölsen, Schwechat, Schwarza, Piesting, zumindest in den oberen Abschnitten dieser Flüsse. Das heißt, es wurden Werte erreicht oder überschritten, die es in den letzten 100 Jahren höchstens einmal gegeben hat.

Mit noch mehr Niederschlägen, die binnen weniger Tage zu rund 500 Liter pro Quadratmeter kulminierten, mußte man in Polen und Tschechien kämpfen, Mengen, die, wären sie am Rhein gefallen, auch den Altarraum des Kölner Doms überflutet und katastrophale Folgen gehabt hätten. Daß am Rhein in jüngster Zeit bereits zweimal „Jahrhundertregen” auftraten, ist Wasser auf die Mühlen jener, die einen Klimawandel wittern, und zwar einen, den der Mensch selbst ausgelöst hat.

Bezüglich Klimaveränderung gehen aber, so der Meteorologe Georg Skoda, Professor an der Wiener Universität, die Meinungen der Experten auseinander: „Die Mehrheit bejaht die Frage, aber statistisch gibt es dafür noch keinen Beweis.” Praktisch sei alles schon dagewesen, im Jahre 1908 wurden zum Beispiel aus dem bayerischen Füssen 100 Millimeter Niederschlag in acht Minuten gemeldet.

Wenn es einen Klimatrend gebe, so deute dieser auf eine Ausbreitung des Mittelmeerklimas nach Norden hin: leichter Temperaturanstieg, feuchte, milde Winter, trockene Sommer mit heftigen, aber nur kurzen, gewittrigen Niederschlägen. Die heurigen, mehrtägigen Regengüsse paßten gar nicht in dieses Bild. Und man stelle statistisch auch regional unterschiedliche Entwicklungen fest: Während im March-feld die Niederschläge zurückgehen, nehmen sie im Bregen-zer Wald leicht zu. Insgesamt liege alles noch durchaus im Rahmen, daß Handlungen des Menschen Einfluß auf das Klima haben können, sei auf jeden Fall unbestritten.

„Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand”, zitiert der Wiener Ökologe Peter Weish aus der Ballade „Die Brücke am Tay” des mit dem brandenburgischen Oderbruch vertrauten Autors Theodor Fontane. Dieses Gebiet, unter Friedrich dem Großen im 18. Jahrhundert trockengelegt und besiedelt, galt stets als gefährdet. Unabhängig von etwaigen Klimaveränderungen hält Weish das allzugroße Vertrauen in die Technik und in die Beherrschbarkeit der Natur für „bestimmend für die Schwere dieser Kalamitäten”: abgeholzte Wälder, deren Böden kaum mehr Begenwasser aufnehmen können, Regulierungen, die aus Flüssen Betonrinnen gemacht haben, An-siedlungen an Stellen, wo es früher keinem eingefallen wäre, Wohnhäuser zu bauen. All das kann in Verbindung mit extremen Niederschlägen Ärgeres bewirken als seinerzeitige Überschwemmungen.

Trösten wir uns damit, daß es wirklich ein „Jahrhundertwetter” war, das erst spätere Generationen wieder in ähnlicher Dramatik erleben werden? Machen wir weiter nach dem Motto: Nach uns die Sintflut? - Nach uns? Wetten darauf, daß erst nach Jahrzehnten wieder ähnliche oder noch schlimmere Hochwasser auftreten werden, werden sicher nur wenige abschließen.

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