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VOLKSBILDUNG - IM AUSLAND

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Seit dem 1. Jänner 1967 ist das neue Rundfunkgesetz in Kraft, welches als erste Aufgabe des Hörfunks und des Fernsehens die Volks- und Jugendbildung bezeichnet. Während im Hörfunk mit seinen drei Programmen und vielen Sendestunden im Tage ein reiches Angebot an bildnerischen Sendungen (wenn auch oft zu ungünstigen Zeiten) vorhanden ist, hat das österreichische Fernsehen, das ja nur ein Vollprogramm mit wenigen Sendestunden täglich zur Verfügung hat, hier erst erste Ansätze (in ihrer Art wertvoll) bringen können.

Es mag nicht uninteressant sein, einen kurzen Überblick über Initiativen des Bildungsfernsehens in anderen Ländern zu geben.

Hier soll nicht über das reiche Programm amerikanischer Hochschulsender, über die Bekämpfung des Analphabetismus durch die italienische „Telescuola“, über die Kombination der bedeutenden Fernunterrichtslehrgänge der Sowjetunion mit dem Fernsehen oder gar über die japanischen und kanadischen Erwachsenenbildungssendungen gesprochen werden. In diesen Ländern liegen wohl die Verhältnisse ganz anders als bei uns.

Wenn man aber nur kurz die Fernsehanstalten in Großbritannien oder der deutschen Bundesrepublik beobachtet und ihre Programme etwas studiert, ergibt sich auch für Österreich manch interessanter Hinweis über Entwicklungs-moglichkeiten in der nahen Zukunft.

In Großbritannien laufen bekanntlich mehrere nationale und regionale Fernsehprogramme der BBC, welche nach ihrer Konstruktion ähnlich aufgebaut ist wie unser gegenwärtiger Rundfunk. Daneben gibt es aber auch kommerzielle Fernsehsender, welche vor allem von den Inserenten finanziell getragen werden, nach der gesetzlichen Regelung aber ebenfalls die Verpflichtung haben, für seriöse Unterhaltungsund Bildungsprogramme zu sorgen. Für diesen Zweck wurde eine eigene staatliche Institution, die „Independent Tele-vision Authority“, geschaffen.

Beide Netzsysteme bemühen sich, neben ihren kulturellen, unterhaltenden und informativen Sendungen regelmäßig Bildungsprogramme anzubieten und diese interessierten Gruppen und Teilnehmern bereits ein halbes Jahr vorher mit genauen Terminen anzuzeigen.

Diese Sendungen werden nicht etwa als zufällige Einzelprogramme gebracht — wie vielleicht wertvolle Bildungssendungen im österreichischen Fernsehen —, sondern als richtige Fernsehkurse mit regelmäßig 13 Abenden, also während der Dauer etwa eines Trimesters einer österreichischen Mittelschule oder Volkshochschule.

So wurden im letzten Jahr neben den bedeutenden Sprachprogrammen (der Italienischkurs wurde etwa von 350.000 Teilnehmern gesehen) folgende Kurse abgehalten: „Automation“, „Grundlagen der Volkswirtschaft“, „Mathematik“, „Kybernetik“, „Gymnastik“, „Elektronengehirne“, „Babypflege“ und „Weltraumfahrt“. Als regelmäßiger Sendetag ist der Dienstagabend vorgesehen, es gibt aber auch eine Sonntagmittagsendung, die sehr beliebt ist.

Wenn man einen Vergleich mit den Auffassungen von Verantwortlichen des österreichischen Fernsehens in den letzten Jahren ziehen will, so bezieht er sich vor allem auf die Einstellung zu den sogenannten „Minoritätenprogrammen“. In Österreich war es ein Axiom der Fernseh-direktion, daß die Sendungen für möglichst viele Teilnehmer hergestellt werden müssen. Bildung sollte also „gefällig verpackt und leicht verdaulich, möglichst in versteckter Form“ präsentiert werden.

Im britischen Fernsehen gibt es natürlich viele Massenprogramme, auch kulturell wertvolle wie das berühmte politische Kabarett „Was vorige Woche geschah“, das von acht Millionen Menschen gesehen wurde. Es wurden aber auch Weiterbildungskurse für Ärzte gesendet (also keine allgemeinverständlichen „Gesundheitsreihen“ für Laien!), die begreiflicherweise oft nur von mehreren taxisend oder zehntausend Personen verfolgt wurden.

Mit Recht kann eingewendet werden, daß in einem Land mit mehr als vierzig Millionen Einwohnern und einer großen Teilnehmerdichte leichter für kleinere Gruppen programmiert werden könne als bei uns. Worauf es aber ankommt, ist die Gesinnung der Verantwortlichen des Fernsehens: Das Fernsehen ist für alle da, deshalb muß aber nicht jede Sendung für alle sein!

Die Forderung nach einem Kontrastprogramm im 1. und 2. Programm sowie in den verschiedenen Hörfunkprogrammen wird hier ein gesundes Gleichgewicht ermöglichen.

Die kommerziellen britischen Fernsehsender spielen ebenfalls mit ihren Unterrichtsprogrammen eine bedeutende Rolle. Sie haben auch drei Kurstrimester, die bereits im Mai für das ganze Studienjahr September bis Juli nächsten Jahres schriftlich vorliegen. Diese Ankündigung bietet Teilnehmergruppen, Volksbildungsorganisationen und anderen Interessierten die Möglichkeit, sich die Zeit zu reservieren und sich bewußt mit dem jeweiligen Programm auseinanderzusetzen.

So wurden vom kommerziellen Fernsehen im laufenden Studienjahr in den Sonntagsprogrammen etwa folgende Unterrichtsprogramme gesendet: Ein Zweijahreskurs in elementarer russischer Konversation, „Erste Schritte der Physik“ (bis zur Mittelschulreife), „Der Kampf um den Frieden“, ein Führer für ein Haushaltsbudget, „Der Mensch über Vierzig“.

In England werden ebenso wie in der deutschen Bundesrepublik die Teilnehmerzahlen an den verschiedenen Programmen entweder durch ein repräsentatives Befragungssystem mit Testpersonen oder durch Einschaltung von Apparaturen, welche das Laufen der Fernsehgeräte nach bestimmten Stunden genau registrieren, überprüft. So kann man über die wirkliche Anzahl der Teilnehmer ein besseres Bild gewinnen als bei uns.

U* jer die Programme der deutschen Bundesrepublik wird der Österreicher im allgemeinen besser informiert sein als über die britischen. Viele von uns können sie ja selbst ■eben. Für unseren besonderen Zweck sind aber die Studienprogramme mehrerer deutscher Bundesländer interessant, die neben dem nationalen Programm und dem 2. Programm der deutschen Bundesländer laufen.

Hier gibt es also bereits wirkliche „3. Programme“, welche überwiegend der Bildung dienen. Die langsame Entwicklung dieser Unterrichtsprogramme in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Berlin und in unserem Nachbarstaat Bayern könnte für uns mit ihren Leistungen und ihren anfänglichen Schwächen äußerst instruktiv sein.

Zunächst muß gesagt werden, daß das 3. Programm schon aus technischen Gründen immer nur von einem Teil der Bevölkerung empfangen werden kann. Die Studienprogramme nehmen es aber begreiflicherweise auch auf sich, daß von den Hörern nur ein kleiner Teil von ihnen regelmäßig Gebrauch macht. Die vielleicht ambitionierteste derartige Sendung, das bayerische „Telekolleg“, welches der Bundesminister für Unterricht Dr. Piffl-Percevic im Auge hatte, als er über die Möglichkeiten des Rundfunks in Österreich sprach, begann mit 14.500 eingeschriebenen Schülern, welche den gezielten Lehrstoff einer Berufsaufbauschule mit den Fächern Deutsch, Englisch, Geschichte, Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Erdkunde, Religion und mehreren beruflichen Fächern regelmäßig sahen. Selbstverständlich sind dabei die den eingeschriebenen Teilnehmern zur Verfügung gestellten Skripten wichtig, mit denen sie weiterarbeiten können.

In drei Jahren soll das Lehrziel, die sogenannte Mittlere Reife (Fachschulreife), für alle jene erreicht sein, welche nicht nur regelmäßig teilnehmen und auch die Skripten studieren, sondern auch in Zusammenkünften (Kollegtagen) mit den Lehrern diskutieren und zum Schluß Prüfungen ablegen.

Wieweit dieses anspruchsvolle Projekt schließlich erfolgreich sein wird, kann nach vier Monaten noch nicht gesagt werden. Ein starkes Absinken der Teilnehmerzahl, ähnlich wie bei unseren Abendgymnasien und auch öffentlichen Mittelschulen, ist jedenfalls zu erwarten.

Das Studienprogramm des Bayerischen Rundfunks, das täglich zwei Kurzprogramme von 19 bis 19.30 Uhr und von 19.30 bis 20 Uhr mit je 13 Sendungen im Trimester bringt, bietet aber auch dem nicht für ein bestimmtes Lehrziel Arbeitenden reiche Möglichkeiten. Im Herbsttrimester 1966 wurden etwa eine kunsthistorische Reihe über Pablo Picasso, eine andere über Marxismus-Leninismus, eine Laborreihe für Physik und Chemie, eine „Stunde der Politik“, siebenmal „Welt der Wissenschaft“ und sechsmal „Welt des Glaubens“, eine historische Landschaftsreihe (unter anderem „Goethe in Böhmen“), vierzehntäglich „Spannungsfeld Ostasien“ und vierzehntäglich „Geschichte der Gewerkschaften“ gebracht.

Eine wesentliche Grundlage echter Bildungssendungen für Erwachsene (denn über die Schulfernsehprogramme wurde hier nicht gesprochen, sie sind ja auch in Österreich bereits gut ausgebaut) ist im allgemeinen die Herausgabe von Lehrbehelfen. Sie können, wie das englische Beispiel mit den reich illustrierten Lehrbehelfen und den in hunderttausend Exemplaren erscheinenden Fremdsprachenkursen (Penguin Books) beweist, auch ohne große Verluste herausgebracht werden. Selbst in Österreich war der Absatz des aus Schweden eingeführten Buches in der ersten Woche der Fernsehsendung „Let's learn English“ 27.000 Exemplare.

Alle diese Versuche auch für Österreich auszuwerten, erfordert viele organisatorische und technische Veränderungen. Es erfordert auch Geld, aber nicht annähernd so viel wie für gute Unterhaltungsprogramme. Vor allem aber erfordert es den guten Willen und die Initiative der interessierten Persönlichkeiten in- und außerhalb des Fernsehens — und daran sollte in Österreich kein Mangel sein.

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