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DR. HUGO ROKYTA EIN HEROLD BÖHMENS

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Viele Reisende lassen sich beim genußreichen Besuch einer Stadt vom beliebten Baedeker beraten. Anspruchsvollere, besonders Kunstwissenschaftler, benötigen den jeweils für ein Land zuständigen „Dehio" ein nach wissenschaftlichen Prinzipien abgefaßtes und in knapper Kunstsprache wiedergegebenes Verzeichnis der Kunstdenkmäler. Zwischendurch wird man an Jakob Burck- hards Cicerone denken. Für die neuen Gebiete historischer und literarischer Topographien gibt es bereits Kompendien, vorläufig in-des ohne kennzeichnende Methode noch Chiffre.

Nun wird man sich demnächst mit einem neuen Handbuch vertraut machen können. Im Jahre 1969 erscheint in einem österreichischen Verlag (St.-Peter-Verlag in Salzburg) ein Handbuch der Denkmäler und Gedenkstätten von internationalen Kulturbeziehungen in den böhmischen Ländern.

Die pflegliche Betreuung dieses einzigartigen Fonds durch die tschechoslowakische Denkmalpflege und ihre vorgesetzten Kulturbehörden ist rühmlich bekannt. Ihre wissenschaftliche Betreuung und Interpretation liegt seit mehr als zwei Jahrzehnten in den Händen eines Mannes, der erst wieder seit dem Ende der Stalinära an den Vortragspulten vieler europäischer Hochschulen ein gern gesehener Gast ist: Hugo Rokyta, Prager Historiker mährischer Abkunft, Kunstwissenschaftler und beruflich Denkmalpfleger — seit 1965 Träger des Johann-Gottfried-von-Herder- Preises der Wiener Universität, Verfasser von mehreren (auch deutsch erschienenen) Arbeiten über Franz Anton Sporck, Stifter, Rilke, Mörike und Kafka. In einem vielbeachteten burgenge-schichtlichen Werk hat er auf das „Schloß in Böhmen" als Schauplatz in den Kunstlandschaften der Klassiker und Romantiker hingewiesen und einige Schlösser Böhmens bei Goethe, Grillparzer, Mörike, Rilke und Kafka entschlüsselt. Ihm verdanken wir die Wiederentdeckung der Mozartschen Prag-Reise bei Mörike aus den Realien der böhmischen Geistesgeschichte und die Erschließung der historischen Lebenslandschaft von Franz Kafka ohne jene oft unerträglich gewordene Mythisierung. Man vergegenwärtigt sich das Verdienst Hugo Rokytas, wenn man die Worte liest, mit denen die Urkunde schließt, die der Anlaß seiner Ehrung durch den Wiener Herder-Preis gewesen ist:

„Er hat der Denkmalpflege seiner Heimat durch die Verbindung historischer, literarge- schichtlicher und kunstwissenschaftlicher Gesichtspunkte neue Impulse gegeben und so mitgeholfen, zahlreiche Bauten vor dem Verfall zu retten und sie als historisehe und kulturelle Gedenkstätten belebt seinem Volke und der Welt zu erhalten.“

Man denke einmal angesichts so mancher Debakel auf dem Felde professionaler intellektueller Friedensökumene diesen Gedanken zu Ende. Ein neues Instrument bei der Traditionspflege, welche die Kulturen der Völker verbindet und in ihren Monumenten in Erscheinung tritt. Eine „neue Erdkunde der Geistesgeschichte“ nannte sie einmal der Prager Autor, dessen Ahnen aus dem Familienkreis des Johann Amos Comenius aus Mähren kommend in einigen Generationen zur österreichischen Geschichtswissenschaft in Beziehung getreten sind. Der Sohn eines Brünner Architekten aus dem Kreise von Adolf Loos ist auch Autor der so lange ungeschrieben gebliebenen Biographien von Josef Helfert, Vinzenc Weintridt und Josef Petrasch, des Begründers der ersten wissenschaftlichen Sozietät in „terris austriacis“.

Hugo Rokyta, Schüler von Jacques Maritain, stand heuer im Mittelpunkt der Diskussionen über Adalbert Stifter und Franz Palacky beim Symposium in Bad Hall, und seine neueste Arbeit „Faust in Prag“ läßt fernere Schlüsse zu.

Man wird darum gut tun, den Namen des Autors eines neuen Handbuches im Gedächtnis zu behalten.

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