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Naive Kunst in Jugoslawien

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Eine sehr beachtenswerte und interessante Ausstellung in der Akademie der bildenden Künste am Schülerplatz lenkt das Augenmerk auf die eigenartige Tatsache, daß es seit geraumer Zeit in Jugoslawien eine große Anzahl von naiven Malern gibt, die in regelrechte Schulen zusammenfassen zu sind. Diese Bauern, Handwerker und Arbeiter betreiben die Malerei neben ihren Berufen; sie ist Mittel, ihre Träume und ihre Gedanken über die Welt zur Darstellung zu bringen. Dabei wurzeln sie meist, mehr unbewußt als bewußt, in dem allerdings langsam verebbenden Strom der alten Volkskunst, aus dem ihre elementare und dekorative Einfachheit stammt. Die dominierende und wichtigste Erscheinung der Ausstellung ist Ivan G e n e r a 1 i i, das Haupt der „Schule von Hlebine“, der — ein einfacher Bauer — unter dem Einfluß des Malers Hegedusic' zu malen begann. Seine Bilder zeichnen sich durch starkes dekoratives Empfinden, einfallsreiche Stilisierung, raffinierte Farbigkeit und manchmal durch märchenhafte symbolische Poesie aus. Eine alte Tradition Hiebines fortsetzend sind sie oft als Hinterglasbilder gemalt. Stärker noch als Generalic wirkt der 1943 im Konzentrationslager ermordete Bauer Mirko V i r i u s. Seine Welt war nicht die poetische von Generalid. Scharfe Beobachtungsgabe, Kraft der Charakterisierung und eine unmittelbare Bezugnahme auf die Natur geben seinen erstaunlichen Bildern einen Realismus, der düstere, leidvolle Melancholie mit Aggressivität vereint. In mancher Hinsicht erinnert er an primitive italienische Maler der Frührenaissance. Bemerkenswert ist auch der malende Arbeiter Matija S k u r-j e n i in seinen leicht humoristischen Gruppenbildern, die viel Charme besitzen.

Emerik F e j e s malt Stadtansichten nach Ansichtspostkarten und verbindet sein sicheres dekoratives Gefühl mit so viel einfühlender Poesie, daß es ihm gelingt, die Städte allein nach ihren Himmeln zu charakterisieren. (Man vergleiche etwa den braunen Nachthimmel von „Florenz“ mit dem violetten von „Venedig“!) Auch die Bildhauer sind von erstaunlicher Eindringlichkeit. Petar S m a j i i schafft kleine Figuren von beträchtlicher Monumentalität; sie sind reiner Ausdruck verfeinerter Volkskunst. Lavoslav T o r t i schloß in seinen Skulpturen an die bogu-milische Plastik an; er wirkt noch ursprünglicher als Smajic und Bogosav Z i v k o v i t, schnitzt seine Baumstämme mit Märchen- und Sagenfiguren zu Totempfählen um. In allen diesen Malern und Bildhauern ist etwas lebendig, was zum innersten Wesen der Kunst gehört: Einfachheit, Poesie und direkte Aussage. Ihre Grenzen und ihre Lauterkeit erkennen, heißt, die Kunst selbst besser erkennen lernen. Niemand möge verabsäumen, die biographischen Notizen des Katalogs zu lesen.

In der Galerie Synthese legt der junge Maler Felix Kalmar eine beachtliche Talentprobe ab. Seine gegenständlichen Ölbilder zeichnen sich durch starke Empfindung für Tonwerte, Blick für das Wesentliche und ein maßvolles Temperament aus. Seine Kompositionen haben noch Schwächen, die er genaiso noch zu bewältigen hat, wie er Form und Zusamr menhang der Zeichnung steigern müßte. Auch das vorhandene räumliche Empfinden müßte stärker differenziert werden. Im ganzen gesehen eine erfreuliche Begegnung.

Die Arbeiten des Kunstschmiedes Ernst Brandstetter in der Galerie „Junge Generation“, seine Eisenplastiken, überlassen in der rhythmischen Gliederung noch zu viel dem Zufall: vieles wirkt bloß gebastelt und beruht auf naturalistischen Vorstellungen. „Les Pri-sonniers“ 6ind lediglich ein Gag — am stärksten wirkt der „Fackelträger“. Gerade das Material des Eisens würde von Brandstetter jene strengste Disziplin verlangen, die seiner unleugbaren Begabung nur zugute kommen könnte.

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