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Repräsentative österreichische Kunst

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Als in den letzten Kriegsmonaten eine Fliegerbombe ein Landhaus zu Nötsch im Gailtal traf, vernichtete sie nicht nur einen der bedeutendsten heimischen Maler, Franz Wiegele, sondern brachte auch dessen Schwager und bestem Freunde Anton Kolig schweres Siechtum. Daß dieser trotz schwerster körperlicher Leiden auch weiterhin seine Kunst ausübte, ja sie sogar in neuen gewaltigen Entwürfen zu höchster Reife trieb, zeugt von der unerhörten Vitalität, von dem ehernen Willen und von der sittlichen Größe Koligs, der schon in sejner ersten Jugend mit Klimt, Wiegele und Faistauer zu den Bahnbrechern einer neuen Kunstentwicklüng gehörte, die von der Gründung des Hagenbundes ihren Ausgang nahm.

Nunmehr gibt eine von der Galerie Welz veranstaltete Gesamtschau seines Schaffens in den Räumen der Kunstakademie, an der er seine malerische Ausbildung erhalten hatte, einen Überblick über ein Lebenswerk, das in der zeitgenössischen österreichischen Kunst von überragender Bedeutung ist. Es gipfelt in den beiden Hauptwerken der letzten Jahre, in dem Entwurf für den eisernen Vorhang des Salzburger Festspielhauses und in den Vorarbeiten für das Glasfenster über dem Westportal des Domes zu St. Stephan, die gewissermaßen die Krönung seines Schaffens bilden. Mit dieser Ausstellung, die später auch im Ausland gezeigt werden wird, rechtfertigt Kolig die Zuerkennung des Preises der Stadt Wien für Malerei, der ihm im Vorjahr einstimmig zugesprochen wurde.

Professor Kolig, der von 1928 bis 1943 Lehrer an der Stuttgarter Kunstakademie war, bis er seine Lehrstelle aus Opposition gegen die Kunstpolitik des Hitlerregimes niederlegte, ist ein Meister der Farbe, dessen Palette über Töne von unerhörter Leucht kraft verfügt, über eine Farbenharmonie von bezwingender Schönheit. Aber er wächst über die farbige Impression hinaus, die Farbe bleibt ihm nicht Selbstzweck, sondern er stößt ins Geistige, Metaphysische vor, Nachfahre eines Maulpertsch in der Über» fülle malerischer Gesichte und künstlerischer Visionen von stärkster Intensität.

Koligs Schaffen war von seinem Anbeginn dn vielgerühmt und vielumstritten. Sein Temperament reißt ihn zuweilen zu kühnen Experimenten mit, aber diese entspringen niemals intellektueller Klügelei, sondern einer explosiven, zuletzt wohl durch menschliches Leid geläuterten Künstlerseele, die zum Übersinnlichen, Religiösen hinstrebt. Dies zeigt sich in seinem von glühender Farbigkeit erfüllten, kompositionell, aber noch nicht ganz gelösten Glasfensterentwurf, in dessen Einzelfeldern manches künstlerische Kleinod zu finden ist. Allerdings bedarf der Meister richtigen Ratschlages, um die liturgischen Unmöglichkeiten auszumerzen. Aber mit diesem Werk könnte etwas wirklich Großes, die Zeiten Überdauerndes geschaffen werden. Gereifter und auch in Einzelheiten schon weiter fortgeschritten, ist der Entwurf für das Salzburger Festspielhaus, gedanklich tief, von schöner Bewegung erfüllt und bezaubernd in der Symphonie leuchtender Farben.

Fast hundert Werke umfaßt diese Ausstellung, zum Teil schon bekannt, zum Teil für Wien neu, nicht alle gleichmäßig in ihrer künstlerischen Qualität. Aber einige von ihnen prägen sich unlöschbar in Gedächtnis, so das Porträt „General Seibt“ in seiner fast brutalen Lebendigkeit, und der aus menschlichem Leiden geschaffene „Erdenwanderer", ein ergreifendes Bekenntnis seelischer Erschütterung.

Audi diese Gesamtschau der Werke Koligs wird wieder so manches Für und Wider in der Diskussion auslösen, stürmische Begeisterung und heftigen Widerspruch erwecken, aber gerade diese durch sie hervorgerufene geistige Auseinandersetzung ist das beste

Kriterium für Koligs Kunst, die weit über da Mittelmaß hinaus in das Reich der großen europäischen Kunst vorgedrungen ist, obwohl — oder vielmehr, weil sie ihren österreichischen Ursprung niemals verleugnet. Dr. Viktor Trautzl

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