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Aus „Kirbisch“ wurde „Cordula“

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Dies war ein Griff nach den Sternen, und wir neigen uns vor dem Mut, vor dem hohn Unterfangen, Unmögliches möglich zu machen: Anton Wildgans' episches Gedicht „Kirbisch“ zu verfilmen. Wir neigen uns auch jetzt noch, da es, durchaus ehrenvoll, mißlungen ist.

„Kirbisch“ ist eine lange noch nicht voll gewürdigte Feierstunde der österreichischen Literatur. Hier gelang es nicht nur, hinter einem simpel-konkreten Vorgang, dem moralischen Abrutschen eines ganzen Dorfes in die demoralisierende Lockung der Kriegsfurie, die Hintergründlichkeit einer allgemeinen Menschlichkeitstragödie in fahlen Gewittern aufleuchten zu lassen, hier gelang auch das Unerhörte: den weichen, wiegenden Wohllaut der österreichischen Umgangssprache in das strengste, sprödeste klassische Versmaß völlig und wie mühelos einzuschmelzen.

Der Unmöglichkeit, diese beiden Eigenschaften des Epos in den Film zu retten, stemmt sich der Film „Cordula“ verzweifelt und mit achtunggebietendem künstlerischem Wollen und Können entgegen. Den Wild-ganssdien Vers versucht sekundenlang die oftgerühmte wienerische Musik der immer bedeutungsvollen Sprache Paula Wesselys zu ersetzen; eine ganze Elite bester - Wiener Schauspielkunst erfüllt die Figuren des Epos mit eigenständigem Leben: den Pfarrer, den Gendarmen, den „Armen im Geiste Vitus, das Postfräulein und den .lendengewaltigen Selcher“. (Diese Leistung anerkannte das Publikum der Wiener Erstaufführung rückhaltlos und bereitete dem Film und den Künstlern einen freundlichen Erfolg.) Aber mit eiserner Schwere hängen sich die Gewichter des Films, des konkreten, überdeutlichen Bildes daran: Die letzte Dorfraserei beispielsweise, die Wildgans immer wieder mit dem Rufe „Evoe, evoe, Bakche'l schürt, peitscht, hetzt, bleibt im Film eine solenne Kirtagsrauferei, Übelbach ist im Film ein Dorf (Wildgans: „Ubelbach ist ja ein Dorf nicht... Ubelbach ist ja die Welt“) und Wildgans' seherischer Ausklang („Und so werden sie's treiben, solange die Welt steht! Und dennoch: Auch, solange die Welt steht, wird immer wieder ein reines Kindlein geboren werden...“) wird einem tönenden Friedensappell geopfert, dem nnr noch die schwingenmüdc Taube Picasso fehlt.

Dies ist nicht in allem die Schuld der Schöpfer des Films. Hier sind einfach Feuer und Wasser aneinandergeraten. Es zischt und braust. Es hätte schlimmer kommen können: die Flut hätte die Flammen ersticken können. Das haben die Künstler des Films (Drehbuch: Max Meli, Regie: Gustav Ucicky, Musik: Joseph Marx, Cordula: Paula Wessely) verhindert. Ihr Verdienst Ist darum nicht gering. •

In diesen Tagen recken sich über der friedsamen Stadt wieder einmal die drohenden Rohre fremdländischer Tendenzkanonen auf. Man schießt frisch-fröhlich von West nach

Ost und umgekehrt. Die Stadt ist geduldig und hat einige Übung in solcher Gastfreundschaft. Dem englischen Film „Staatsgeheimnis“ im Wiener Opernkino (ein Geheimnis, das keines ist, denn es pfeifen's die Spatzen vom Da, daß das sagenhafte „Vosnien“ des Films an der Wolga liegt) folgt die Rache im Tabor-kino, der ostdeutsche DEFA-Film .Der Rat der Götter! auch er beileibe kein Kreuzworträtsel, denn das getarnte „große Chemiewerk im rheinischen Industriegebiet“ trägt unverkennbare Züge der IG-Farben und die teuflischen Verfilzungen seines Aufsichtsrales mit dem Feind (vor, im und nach dem Krieg) sind, wie der Film Oberdeutlich dartut, typische Unarten des westlichen Kapitalismus. Der Film ist übrigens glänzend gemacht, robuster als die „Buntkarierten“ desselben Regisseurs, aber in der Ideenführung und zwei großartigen Darstellerrollen künstlerischer als der zu sehr zweckbedachte Thriller „Staatsgeheimnis.

...Doch mag es in diesen Tagen, da sich über der friedsamen Stadt wieder die drohenden Rohre fremdländischer Tendenzkanonen aufrecken, wohl einmal geschehen, daß ein Mensch an einem dunklen Herbstabend auf dem Wege von einem zum anderen, vom „Staatsgeheimnis“ zum „Rat der Götter“, innehält und erschüttert aufsieht, wie die Nadel des Domes in die schwarze Nacht ragt. Und vielleicht macht er eine Entdeckung, die ihm bisher auf allen Landkarten und Stadtplänen entgangen ist: daß der Stephansturm über Opern- und Taborkino hinausschaut.

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