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Bin ich ein pastoraler Sisyphus?

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Pastorale Erfahrungen mit homosexuellen Menschen lassen sich meines Erachtens schwer auf den Punkt bringen. Zuviel steht auf dem Spiel - für beide Seiten. Verschiedene Wegstrecken werden für mich als Priester im nachhinein sichtbar, persönliches Umgehen damit muß ebenso wahrgenommen werden wie das erlernte und hoffentlich lebensrelevante theologische Wissen.

Homosexualität war während meiner Zeit im Priesterseminar kein Thema. Weder in den Spiritualstunden erwähnt, noch unter uns Studenten. Nur aus Andeutungen von Rekannten hörte ich erstmals einiges über auch mir bekannte Männer. Aufgrand von Verlegenheit; Unkenntnis und als Randerscheinung beschäftigte mich dieses Thema nicht weiter. „Sonderlinge“, „Schweinerei“ und „arme Menschen“ - diese Assoziationen sind mir dazu noch in Erinnerung. Auch dem Ortspfarrer fehlte die Kompetenz, diesen Menschen frei und vorbehaltlos zu begegnen.

1984 begann ich dann meinen priesterlichen Dienst, von Toleranz und Offenheit geprägt. Reinahe 16 Jahre mußten vergehen, bis ich tatsächlich homosexuellen Menschen begegnete. Ein Gesprächsabend unter Studenten und Studentinnen bot die Gelegenheit. Rückblickend möchte ich sagen, daß mich dorthin gewisse Vorbehalte und versteckte Unsicherheiten begleiteten. Die kontroversen Gespräche hinterließen mir einen bleibenden Eindruck. Diese pastorale Herausforderung wollte ich, wie auch immer, weiter aufgreifen.

Ich versuchte diese Menschen mit ihren Wünschen und Sehnsüchten, mit ihren Fragen und Verletzungen anzuhören. In diesem Unternehmen bestärkte mich auch die Lektüre von Fachliteratur. Als Studentenseelsorger machte ich gerade im studentischen Milieu, mit seiner Ungezwungenheit und Offenheit, prägende Erfahrungen. Ich begann nun einzuordnen und zu verstehen, warum viele Homosexuelle Kirche entschieden ablehnen. Man lese dazu manche offizielle Aussagen von früherer oder auch gegenwärtiger Zeit. Umgekehrt erlebte und erlebe ich glaubwürdige Männer und Frauen, zugegebenermaßen nicht sehr viel der Zahl nach, die mit der befreienden und lebensförderlichen ßotschaft Jesu Christi in seiner Kirche leben wollen. Dazu ist meiner Meinung nach nicht das Pochen auf Moral hilfreich, sondern das behutsame und abwägende Ernstnehmen dieser Menschen.

Sehe ich das ganze nicht zu rosig, zu einseitig - vielleicht auch aufgrund meiner Tätigkeit in der kategorialen Seelsorge, früher mit Studenten, jetzt mehr in der Schule? Ich gebe zu, meine Erfahrungen mit Homosexuellen lassen in mir auch ernsthaft die Frage hochkommen: bist du nicht schon zu weit gegangen? Gerade dann, wenn ich dieses Thema unter Priesterkollegen oder sonstwo zur Sprache bringe. Ich stoße auf Unverständnis, manchmal sogar auf massive Ablehnung.

Du beschäftigst dich zu sehr mit einer Randgruppe! oder: Paß auf, daß du nicht einer von ihnen wirst! Rin ich jetzt ein Zerrissener, der einerseits ein Mann der Kirche sein will und andererseits die Anliegen und das Leben dieser Menschen ernstnehmen möchte? Ein erfolgloser Rrückenbauer, eine Sisyphusarbeit verrichtend?

Was will ich mit meinem Wollen und Tun erreichen? Ich meine, Aufmerksamkeit einbringen für Menschen, die lange Zeit diskriminiert waren oder es noch sind, die ihre (homosexuelle) Lebensform fast immer nicht selbst gewählt haben. Ihnen vom christlichen Glauben her, bei allen theologischen Streitigkeiten und Diskussionen das Wissen und Gefühl zu geben, sie sind von Gott gewollt und kein Retriebsunfall der Schöpfung. Es ist ein wesentlicher

Unterschied, ob ich über Homosexuelle rede oder mit ihnen! Ich habe gelernt, diese Männer und Frauen nicht auf ihre sexuelle Prägung und Praxis hin einzuengen, sondern sie ganzheitlich, auch mit ihren Sehnsüchten nach Liebe, Partnerschaft und Anerkanntsein zu sehen. Ich will damit nicht provozieren, Re-hutsamkeit ist immer angesagt.

Was wünsche ich mir, unseren Kirchen, und der Gesellschaft? Daß Ängste und Vorurteile auf beiden Seiten abgebaut werden, daß Kirchengemeinden und andere Gemeinschaften ein Gespür für diese Menschen entwickeln, ihnen ein Stück Heimat bieten, daß wir die Suche nach kirchlichen Zeichenhandlungen für homosexuelle Partnerschaften zulassen.

Wir alle stehen am Beginn eines Weges. Spuren sind schon gesetzt worden, ermutigende und verletzende. Welche Spuren zeichne ich? Dialog wird überall eingefordert, treten wir nicht am Stand! Einer hat gesagt: „Ich bin der Weg ...“

Der Autor ist

Priester und Religionslehrer in der Diözese. Graz-Seckau.

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