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Blick uber Grenzen

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Die sommerliche Reisezeit ist nicht nur gut zur Erholung strapazierter Nerven, zuweilen bringt der Blick über die Grenzen einem auch Erkenntnisse und Eindrücke, die geeignet sind, die Geschehnisse und Methoden im eigenen Land mit anderen, objektiveren Augen zu sehen.

So ermöglichten mir die vergangenen Wochen und Monate die Konfrontation mit dem Fernsehschaffen in so gut wie allen deutschsprachigen Gebieten unseres Kontinents.

In der zweigeteilten Stadt Berlin ist der von Stacheldraht und Maschinenpistolen ungetrübte Blick über die Mauer vielleicht besonders aufschlußreich. Eigentlich sind es zwei Hauptkomponenten, die das Programmbild des Fernsehens in der Deutschen Demokratischen Republik formen: die Unterhaltung und die politisch-ideologische Lenkung und Information. Dabei wird das Gros der Sendungen auf dem Sektor „Unterhaltung“ von Filmen bestritten die zum Teil noch aus den „Goldenen dreißiger Jahren“ des deutschen Filmschaffens stammen: „Es lebe die Liebe“ mit Johannes Heesters und Lizzi Waldmüller ist ebenso darunter zu finden wie ein früher Stemmle-Film „Die ganze Welt singt nur Amore“ mit Peter Moosbacher und Gertrud Kückel-mann. Diese Spielfilm-Sendungen sind übrigens auch für viele Westberliner der entscheidende Anreiz, dem ersten oder zweiten östlichen Programm auf ihren Bildschirmen Platz zu geben. Für Fernsehshows und Quizspiele östlicher Provenienz, die überdies nur sehr sporadisch in Erscheinung treten, besteht dagegen weniger Interesse. Sie sind hinsichtlich Besetzung und Ausstattung, mit denen zum Beispiel die westdeutschen Stationen bei derartigen Anlässen zu prunken suchen, zuwenig attraktiv. Auch die bei uns sowie in Westdeutschland und der Schweiz mehr oder minder beliebten Serien, sind bei dem ostdeutschen Fernsehen verhältnismäßig dünn gesät. Zumeist kommen sie auch aus dem Ausland, überwiegend natürlich aus dem östlichen, wie zum Beispiel die beiden polnischen Serien „Sekunden entscheiden“ und „Hotel Excelsior“ mit kriminalistischabenteuerlichem Einschlag. Überhaupt wird das Genre des Kriminalfilms von den ostdeutschen Programmgewaltigen recht gepflegt, vor allem, wenn es gewisse gesellschaftskritische Funktionen erkennen läßt. Eindeutige politische Manipulationen und Demagogie manifestiert sich dann in solchen Sendungen wie in dem beinahe täglich im zweiten Programm aufscheinenden „Schwarzen Kanal“, der besonders die Verhältnisse in der Bundesrepublik aufs Korn nimmt. Auch die Sendungen „Objektiv“ und „Umschau“ dienen trotz ihrer neutralen Namen entscheidend der ideologischen Lenkung. *

Schaltet man zu den westdeutschen Stationen, finden sich betonte, allgemein politische und wirtschaftspolitische Sendungen, die vom Bestreben einer kritischen Information getragen sind. Eine der interessantesten und aufschlußreichsten Sendungen auf diesem Gebiet, vor allem wirtschaftliche Fragen betreffend, ist die vom ersten Programm ausgestrahlte Sendung „Bilanz“, deren Präsentatoren und Kommentatoren nicht nur über ein profundes Wissen verfügen, sondern ihre Meinungen und Ansichten entsprechend telegen an den Mann zu bringen wissen.

Überhaupt muß man feststellen, daß die westdeutschen Kommentatoren Präsentatoren und Moderatoren ein Format und eine persönlich belebte Farbigkeit in der Gestaltung ihrer Sendungen aufweisen, von dem so manche ihrer österreichischen Kollegen etwas lernen könnten. Wenn man sieht, mit welchem Schwung und Witz zum Beispiel die Sendungen „Mosaik“ und „Drehscheibe“ im Vor-abendprogramm des ZDF von einem flott aufeinander abgestimmten Team serviert werden, merkt man erst, wie beinahe vorsintflutlich und konservativ wir in Österreich bei der Gestaltung und Präsentation ähnlicher Sendungen sind. Ein Schuß Respektlosigkeit und Aggressivität, mit denen unsere bundesdeutschen Nachbarn die Dinge angehen, könnte auch in Österreich nur belebend wirken. Da steht dann eben in einer solchen „Drehscheibe“ ein schnulziger Schlagersänger neben dem etwas überdrehten Filmbericht von einem Snobiety-Fest in Berlin und einer fast künstlerisch gestalteten Information über alte Handwerkskunst am Vogelsberg sowie einer beinahe wehmütig anmutenden Story über die drohend bevorstehende Abwrackung des alten hölzernen Mississippi-Raddampfers „Delta Queen“.

Zugegeben, daß den bundesdeutschen TV-Chefs ein ungleich größeres Finanzpotential zur Verfügung steht, daß ihnen unter anderem auch eine wesentliche brett-gestreutere Mitarbeiterwahl erlaubt. Aber bekanntlich lassen sich zündende Einfälle und Gestaltungsideen nicht allein mit Geld erzielen, man muß sie systematisch fördern und gedeihen lassen. Und hierin sind die westdeutschen Fernsehverantwortlichen nicht nur uns, sondern auch den Schweizer Kollegen überlegen. Weil die folkloristische und provinzielle Gebundenheit vieler Schweizer Sendungen noch bedeutend größer ist als bei uns in Österreich ...

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