6663109-1960_18_14.jpg
Digital In Arbeit

Das elfte Gebot

Werbung
Werbung
Werbung

Es hat den Engländern keine Ruhe gelassen — wir meinen die Sache mit den „Zehn Geboten“, das heißt die amerikanischen Riesengewinne daraus. Also gehen sie jetzt flott ans unheilige, wenngleich ergiebige Werk. Um auf der Leinwand dann zur Abwechslung neutestamentarisch zu kommen, soll diesmal das Leben Jesu wieder einmal verfilmt werden, gleich in doppelter Version, in zwei Variationen, weil auch zwei Produzenten daran basteln. Titel von Nummer 1: „Der Gottessohn“, von Nummer 2: „Der Menschensohn.“ Im ersten Projekt sind dem Vernehmen nach auch amerikanische und schweizerische Gelder investiert. Über das zweite weiß man in dieser Hinsicht nichts Genaueres — auf jeden Fall soll in Spanien gedreht werden, im Lande der für solche Unternehmen noch allemal flüssigen Peseten. Und zwar mit äußerstem Tempo: Mr. Bronson muß seinen lästigen Konkurrenten überrunden. Sonst geht's auf der Insel wie in Deutschland mit den beiden Filmen über den 20. Juli...

Dabei wird schon seit geraumer Weile an einer dritten Variation mit dem Titel: „Die größte Geschichte“ gearbeitet, von den Amerikanern, genauer gesagt von der „Centfox“, die für den Stoff, den-Bestseller „The greatest story ever told“, in welcher Volksausgabe Fulton Oursler die Passion im Slang nacherzählt (!), nicht weniger als zwei Millionen DollaT bezahlt und das seit Jahren propagandistisch breitgeschlagen hat. Eines schönen Tages wird George Stevens auch diese Monsterschau fertiggestellt haben; wir bezweifeln es nicht — obwohl noch unklar ist, wer die Nachfolge von Cecil B. de

Mille, dem ungeschlagenen Experten auf diesem Gebiet, antreten wird.

Auch sonst sind noch Vorhaben der umstrittenen Art bekannt — von den „Galiläern“ über den „Großen Fischer“ bis zum „Verlorenen Sohn“, natürlich amerikanischer Provenienz. Dazu noch Sujets aus dem keineswegs vernachlässigten Alten Testament, so etwa „Daniel und das Weib aus Babylon“,. „Salomon und Bath-seba“, „Die Makkabäer“ und anderes, wovon man uns und vor allem sich einiges verspricht. Es nimmt also, auch mit dem, was an diesbezüglichen Erzeugnissen aus französischen und italienischen Ateliers zu erwarten ist (in Rom beispielsweise soll trotz des damaligen Mißerfolges von Rossellinis „Franziskus, der Spielmann Gottes“ noch einmal ein Film über den hl. Franz von Assisi gedreht werden) — es nimmt so rasch kein Ende. Wenn alles das, was gegenwärtig projektiert ist, tatsächlich verwirklicht werden sollte, dann gnade uns Gott — dann schlägt die „neue Welle“ des religiösen Films über uns zusammen!

„Religiös“ muß in diesem Zusammenhang natürlich in Anführung gesetzt werden — ohne diese Kennzeichnung wäre der Ausdruck in der Mehrzahl der Fälle unzutreffend. In diesen Filmen geht es gemeinhin nicht um die Beziehung, die „Rückbindung“ zum Göttlichen. Sie sind nach Konzeption und Ausführung meist recht vordergründig-irdisch, spektakulär, nur mehr „shows“, nicht selten mit pikanten Attraktionen — man denke etwa an Gelegenheiten, wie sie in einer „Salome“, einer „Maria Magdalena“ geboten werden. Hier wird nicht verkündet, sondern ein Marktgeschrei erhoben, posaunt. Das eigentlich Religiöse, zum Beispiel das Glaubensverhältnis zu Gott mit seinen subjektiven Momenten, die darzustellen und optisch zu erfassen wenn auch nicht unmöglich, so doch überaus schwierig sind — das also, was wesentlich das Religiöse ausmacht, steht, wenn es in diesen Streifen überhaupt begegnet, oft nur am Rande, ist zweckdienlich „funktionell“, gibt den Vorwand ab für Sensationen, grobe Effekte und vor allem für Reklame, für eine Propaganda, auf die dann auch nicht wenige hereinfallen.

Es ist bedauerlich, daß das solcherart schon seit den filmischen Anfängen — Lumiere, der Erfinder der Kinematographie, ließ bereits 1897 einu Passion herunterkurbeln — auf Millionen und aber Millionen von Zelluloidmetern Belichtete den so dringend nötigen, wirklich religiösen Film kaum ermöglicht. Zu diesem freilich gehört Gesinnung; das andere ist Geschäft. Wer zur Kasse schielt, kann zugleich nicht nach oben sehen. Das Göttliche und Heilige spielt nur in der Werbung eine Rolle, dient — sagen wir es rund heraus — dem „Bauernfang“.

Als Gott Vater am Sinai Moses das Gesetz offenbarte, da versäumte Er leider, dem Dekalog eine weitere bindende Vorschrift hinzuzufügen: Du sollst keine Bibelfilme machen!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung