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Das Gedicht

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DIE DONAU

Einsame lieben Einsames. Ungern duldest Du der Menschen Siedlung an deinen Ufern. Selbst von unserer Stadt wegwendest du dich: Einen deiner Söhne, den du bald heimrufst, Gönnst du ihr zur Tröstung für ihr Entbehren.

Wilde Auen liebst du, dürstende Bäume, Die sich niederbeugen zu deiner Welle. Liebst die blaue Anchusa, liebst die Liane, Liebst der Wasservögel Flug, die schwere Schwingen netzen, schreiend, in deinem Fluthauch

Urvolkes Sagen ahnst du. Aber unter Der Jahrhunderte Brücken stetig wallst du Ohne Zeit-Erinnerung. Vergessen,

Schwand dir, was vor Wagram geschah, doch immer Noch schwimmt Hagens Nixe stromab und hebt das Schilfumlockte Mädchenhaupt um die gelben Mauern von Melk zu schauen oder später Klosterneuburgs Herzogskrone, funkelnd

Ueber dem Stift, oder auch von einer der hohen Erlen der Lobau nach dem Turm von Sankt Stephan Auszuspähen, den die neidischen Nebel Und nun auch Gerüste dem Aug entrücken.

Pilgre denn vorüber an uns, die, alternd. Milder wird und, was sie uns versagte, Anderen Völkern gewährt. Das breitere Flußbett, Es genügt dir endlich, dich stört der Lärm nicht Budapests und Belgrads. Nicht entziehst du Ihnen deine Wasser, die des Ursprungs In dem deutschen Waldgrund nicht gedenken.

Was ist dem der Mensch, der dem Meere zustrebt? Was sind Städte des Menschen dem, der ewige, Der die strömende Liebe sucht des Urziels? Ach, es ist zugleich sein ewiger Urborn. Und so bist du selber nicht mehr Eines.

Teilst dich in drei Arme, unabsehbar Weit Erfüllte, lange vor der Mündung, Wie der Vater sich in drei Personen Teilt und ist doch Einer, bleibt der Vater Und bleibt auch das Meer der ewigen Liebe Und wird wieder Strom in drei Armen, Die einfluten in ihn selbst. Geheimnis Unausschöpf lieh. Aber ist nicht jeder Wasserlauf ein unerschöpft Geheimnis, Das vielleicht den Fischen dämmert oder Kormoranen oder dem verirrten

Hirsch, der kommt, zu trinken? Nicht dem Menschen, Nicht dem Städtebauer, nicht dem Siedler, Nicht dem denkenden Haupt. Das Herz der Tiere Weiß um Wunder, kennt den Gang des Wassers, Und die Wolken wissen’s und die Winde.

ELEGIE IM HERBSTPARK

Wieder sah ich meiner Kindheit Brücke.

Es war Herbst-, gelb leuchtete der Ahorn Aut dem dunklen Abendteiche zogen Fremde Schwäne über Spiegellichtern.

Vieles ist geschehn. Die Bäume haben Zwar nur Laub erneut am alten Astwerk.

Aber du, o Seele? Deine Krone,

Alles hält sie: Stunden, Monde, Jahre.

Heute lächelt ich: da glänzt die Blüte.

Doch ihr Zweig trägt noch den Schnee dės Vorjahrs. Zwischen Schattengrün der Sommerfülle

Reichlich hängt das Herbstblatt und entsinkt nicht.

Nichts vergaßest du, nicht eines frühen Morgenreifes Weiß noch Abendnebels.

Alles währt dir. Im Geäste hangen Sterne unter Nestern und Gespinsten.

Ach, wie beugt das tief! Wie kannst du tragen, Zarter Stamm? Was seufzt die dunkle Wurzel? .Schlafen“, seufzt sie .Schlafen“, lallt der Wipfel. .Bei der alten Kindheitsbrücke schlafen!“

VORGEFÜHL

Wie dieser Vormittag, voll Nebelgrau und RauCh, Gleicht einer frühen Abenddämmerung,

So fühl ich. ob ich auch, noch immer jung. Auf Erden lebe, herwehn einen kaltem Hauch. Vielleicht daß Gott, der länger mir die Frist bemaß, Erzürnt von meinem klagevollen Dichtertum, Mich fallen ließ und stieß den Ratschluß um;

Im späten Herbst wohl mäht er mich im dritten Gras. Mich fröstelt, wie ich geh und einen Scheideblick Den Hügeln gönn, die ich so liebe und die einst Ein Kind statt meiner ansehn wird. — Du weinst!

In Kindern — nicht nur eignen — kehren wir zurück.

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