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DAS TRUNKENE SCHIFF

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Gleichmütig von einem Strome getragen Trieb ich vorüber an Urwald und Tier, Mannschaft und Maat, von Indianern erschlagen, Lagen schon lang und sehr weit hinter mir.

Ledig geworden der Ladung und Lasten,

Weizen aus Amsterdam, Oel aus Beyrouth, Riß ich mich los von den Fesseln aus Basten, Schoß ich vom Strand in die Mitte der Flut.

Brüllende Böen kamen als Retter, Landzungen leckten vergeblich vorbei, Grell im Getäue pfiffen die Wetter, Heulten die Winde ihr Siegesgeschrei.

Alberne Leuchttürme blinzeln Erbarmen Lieber den kochenden Gischt zu mir her, Aber der Sturm hat mich fest in den Armen, Aber der Sturm wirft mich endlich ins Meer.

Tanze nun leicht wie ein Kork auf den Woge, Springen die Wasser mir auch über Bord, Waschen mich rein und in herrlichem Bogen Schleudern sie Masten und Steuer mir fort.

Meer, in dem täglich die Himmel ergrünen, Meer, in das nächtens die Milchstraße fließt, Weißt du, wie oft mich auf deinen kühnen Gipfeln ein stiller Ertrunkener grüßt,

Dort, wo in Schrunden azurener Hänge, Wenn sie der Brand des Morgens versehrt, Wilder als Wein und die Großen Gesänge Bitter der Purpur der Liebe gärt?

Ich sah die entsetzenerregenden Tromben, Ich sah, wie der Abend die Meertaube raubt, Ich sah, wie die Blitze den Aether zerbomben, Ich sah, was die Menschen zu sehen geglaubt.

Ich sah die schimmernden Eisberge steigen Wie Küsse langsam zu Aug und Gesicht, Ich sah den Bogen des Nordlichts geigen Und hörte das jubelnde Firnenlicht. _

IcJi ri'ff auf der Brandung im Mond, in der Sonne, Und stürmte vergeblich die Ufer-Stadt: Hatt' ich vergessen, daß die Madonne Der Seeschlange damals den Kopf zertrat?

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ekränzte mich nahe der Insel das Kind. Und wißt ihr auch, daß die blauen Pferde Vom Regenbogen gezügelt sind?

Hunderte Meilen weit sah ich Gesichter: Beelzebub, Belial, Astarouth, Spürt ich das Saugen der Maelstrom-Trichter, Hört' ich das Schnauben des Behemoth

Und ich floh, umkreist von elektrischen Monden — Seepferde jagten hinter mir her, Glutstrahlen stachen wie stählerne Sonden — Uebers magnetisch gespaltene Meer,

Barg mich in braunen versumpften Kanälen Zwischen Baumschlingern und Schlangengezücht, Wo sich gewundene Aeste aufquälen, Ist ein verrufenes Moderlicht.

Aber es kam auch das Sternbild des Löwen, Wo ich mich müdegebetet hab', Wo ich den goldenäugigen Möwen Meine Planken zum Nisten gab.

Aber es kamen auch Nächte der Süße, Da mir der Wind von den Sternen gelacht, Da mir die See ihre'liebsten Grüße, Die silbernen, singenden Fische gebrach.

Oh, wie gerne hätt' ich sie allen, Allen Kindern der Erde geschenkt Und ihnen auch die lustigen, drallen Kleinen Delphine zugelenkt.

Aber Lianen, Polareis und Fluten Waren die Kette, die fest mich umschloß. Nie kam ein Schiff, mein Herz zu vermuten, Einsames Herz auf seetollem Floß.

Ach, wie ich weinte: Die Sonnen sind grauer Als Morgen und Mond, und die Liebe ist leer. Mein Segel schwillt mir im Winde der Trauer, O zerschellte mein Kiel, o versank' ich im Meer!.

Europa hat eins nur noch, mich zu berücken: Am düsteren Teiche, unterm Geäst, Kauert einy Kind, das in wehem Entzücken Sein kleines Boot auf die Wellen entläßt. . .

Land, mein Land im Kometenregen, Sternenland, das keiner errafft!... Schläfst du dort unserm Tag entgegen, Millionenflüglige künftige Kraft?

Aus dem Französischen übertragen von HERMEN VON KLEEBORN Stifter-Bibliothek, Salzburg-Klosterneuburg)

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