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Das Rezept zum Glücklichsein

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VOM GLÜCK VERFOLGT. Roman. Von Othmar Franz Lang. Ehrenwirth-Verlag, München, 1962. 270 Seiten. Leinen. Preis 92.16 S.

In diesem charmanten, echt österreichischen Roman spiegeln sich die Gesinnung und die Wesensart des 1921 in Wien geborenen Autors Othmar Franz Lang, dessen Schaffen durch die Verleihung etlicher Preise, unter anderem des Österreichischen Staatspreises für Jugendliteratur, 1961, gewürdigt wurde. Lang glossiert in einer Kurzbiographie sich selbst, wenn er sagt: „Ich flog, phantasiebegabt und unverstanden, aus dem Realgymnasium, lernte daher wirklich fürs Leben. Erste große Reisen zu Lande, zu Wasser und in der Luft in Transportmitteln der deutschen Wehrmacht. Seit damals ungeheure Abneigung gegen Gesellschaftsreisen. Bin freier Schriftsteller und deshalb Optimist. Leide an verschiedenen Erscheinungen dieser Welt und versuche konsequent, sie lächerlich zu machen, da ich die Selbstironie für eine der größten Tugenden halte.“

Diese sehr persönliche Einstellung zu allen Widerwärtigkeiten und Fährnissen des Dateins kennzeichnet auch den vorliegenden, in Ich-Form geschriebenen Roman, der den Lebensweg eines „vom Glück Verfolgten“ schildert. Ja, dieser Vitus Spohr ist wirklich ein Glückspilz, aber beileibe keine Phantasiegestalt, die im Märchenwald beheimatet ist, sondern ein ebenso kluger wie bescheidener Mensch, ein liebenswerter Vertreter jener Generation, die noch den letzten Glanz der Donaumonarchie, aber auch die leidvollen Jahre des zweiten Weltkrieges und dessen Folgen erlebt hat.

Auf den ersten Blick mag es paradox erscheinen, daß diesem Vitus Spohr, der unter recht widrigen Umständen seine Lebenswanderung begann — arm war er wie eine Kirchenmaus, und Geld gilt bekanntlich vielen als Unterpfand des Glücks, wenn nicht gar als das Glück selbst —, alles gelingt, was er anfaßt, und daß er Erfolge erzielt, um die ihn mancher Reiche und Mächtige beneiden könnte. Aber der Autor versteht es, diese Glückssträhne Spohrs, dessen Geschick letzten Endes von der Mitwelt bestimmt wird, durch seine Meisterschaft als Erzähler durchaus glaubhaft zu machen, weil er uns Einblick ins Innenleben seiner Hauptperson gewährt. Diesem Vitus sind Lebensfreude und Wohlwollen zur zweiten Natur geworden, er kennt weder Ressentiments noch Minderwertigkeitskomplexe, und so fügt er sich mit einer Heiterkeit, die aus reinem Herzen und sauberer Gesinnung kommt, in alles, was ihm, wie den anderen Sterblichen, nicht erspart bleibt. Dabei ist er keineswegs das, was man etwa einen reinen Toren nennen könnte. Er ist vielmehr ein scharfer Beobachter, der blitzschnell die jeweilige Situation erfaßt und meistert. Sooft ihm aber Fortuna hold ist, läßt er auch andere an seinem Glück teilhaben. Geld wird ihm zum Mittel, anderen Freude zu bereiten, und deshalb werden auch ihm immer wieder neue Freuden zuteil.

Vitus, der seine Eltern nicht gekannt hat, verbringt teine Kinder- und Jugendjahre in vertrautem Umgang mit dem Gesinde auf einem Schloß in der Untersteiermark. Er spielt auch mit den Kindern des Schloßherrn, seines Taufpaten, eines Grafen Solva, und nach einigen Jahren wird der aufgeweckte Junge, der im Park Tongefäße aus der Römerzeit ausgräbt und die Verwalterstochter ebensogut frisiert wie die jungen Comtessen, zum Kammerdiener des Grafen. Hierauf verwandelt sich das wendige Faktotum in den Manager einer berühmten Sängerin. Kaum hat Vitus, der während des Krieges in Kanada interniert war, den Boden Europas wieder betreten, gerät er in den Sog des aufblühenden Wirtschaftswunders. Zunächst verdient er zwar noch als Friseur, Barpianist und Kabarettist sein Brot, dann aber geht es steil aufwärts. Er wird Kunsthändler, Großkaufmann und Reeder. Aber all diese äußeren Erfolge bringen ihm keine Befriedigung, die Sehnsucht nach seiner unter-steirischen Heimat läßt ihn nicht ruhen. Nachdem er den Großteil seines Vermögens minderbemittelten Freunden und Künstlern geschenkt hat, begibt er sich von Hamburg über München und Wien in die Untersteiermark. Und dort findet seine Wanderschaft ein Ende, ein glückhaftes Ende — wie könnte es auch anders sein! Eine seiner Gespielinnen auf Schloß Solva, die von ihrem Vater, dem Grafen, ein Weingut geerbt hat, öffnet ihm ihren köstlich duftenden Keller... Um diesem liebenswerten Buch in jeder Hinsicht gerecht zu werden, seien noch ein paar Sätze angeführt, denn diese aphoristischen Bemerkungen des Autors bezeugen, daß dieses Werk weit gehaltvoller ist als irgendeine lustige Geschichte:

„Seit Hugo Wolf tot ist, macht er sich! Nirgends sind die Toten so lebendig und die Lebendigen so tot wie in Österreich.“ — „Bildung ist nicht Oberfläche, sondern etwas durchaus Wesenhaftes; Bildung wächst in uns, alles andere ist eine Abart von Kosmetik.“

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