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Der Alltag des Genies

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SHAKESPEARE, DER DICHTER UND SEINE ZEIT. Von Peter Quennell. Aus dem Englischen von Sigrid Stahlmann. C.-Plper-Verlag, München. 400 Seiten. Preis 24 DM. - SHAKESPEARE HINTER DEN KULISSEN. Der Werktag eines Theatermannes. Von Ivor Brown. Deutsche Bearbeitung und Anmerkungen von Friedrich Louis Schmid. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart. 29 Seiten. Peel 19.80 DM.

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SHAKESPEARE, DER DICHTER UND SEINE ZEIT. Von Peter Quennell. Aus dem Englischen von Sigrid Stahlmann. C.-Plper-Verlag, München. 400 Seiten. Preis 24 DM. - SHAKESPEARE HINTER DEN KULISSEN. Der Werktag eines Theatermannes. Von Ivor Brown. Deutsche Bearbeitung und Anmerkungen von Friedrich Louis Schmid. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart. 29 Seiten. Peel 19.80 DM.

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Das große Jahr des englischen Barden hat in England selbstverständlich eine Unzahl von Büchern zum Thema Shakespeare hervorgebracht. Die Eile der deutschen Verlage, am Shakespeare-Boom zu partizipieren, merkt man dem Werk Ivor Browns noch an. Die Anmerkungen sind ein untrügliches Zeichen dafür; die Ergänzung der Numerierung durch den Index „a“ ist ein deutlicher Hinweis in dieser Richtung und kann durch keine sachlichen Erwägungen motiviert werden. Überdies sucht man zum Kapitel IV vergeblich Anmerkung Nummer 2, und wüßte man es nicht aus dem erstgenannten Buch Peter Quennells, erführe man nie, was es mit dem Schweizer Felix Platter auf sich hat. Tatsächlich hat es zwei Schweizer Uhrmacher dieses Namens gegeben, Vater und Sohn; beide haben London besucht, und die Reiseaufzeichnungen des Filius sind ein wichtiger Hinweis auf die Praktiken der elisabethanischen Theaters.

Der Unterschied der beiden Werke und derjenige der Intentionen der Autoren, drückt sich klar im Titel der Bücher aus. Peter Quennell unternimmt es, die wenigen bekannten Tatsachen aus Shakespeares Leben in Einklang zu bringen mit den Ergebnissen der entsprechenden Fachgeschichtsschreibung. Er versucht, den Dramenverfasser, Grundstückspekulanten, Theaterdirektor und Höfling konsistent aus dem bekannten Bild des elisabethanischen Menschen zu erklären. Seine Grundthese, fast schon eine Binsenwahrheit, ist es, daß auch ein Genie sich als Mensch in allen Ambitionen und Lebenseinzelheiten in den vorherrschenden Lebensstil eines Zeitalters fügt, und dieser Stil war bekanntlich noch bis ins vorige Jahrhundert ziemlich einheitlich und weit entfernt vom heutigen Pluralismus. Das Selbstverständnis des Künstlers war zur Zeit Elisabeths I. nicht dermaßen entwickelt, daß sich ein Stückeschreiber nicht als normales Mitglied der Gesellschaft seiner Zeit empfunden hätte.

Das zweite Werk zum Thema Shakespeare — beide Werke haben übrigens in England selbst eine ausgezeichnete Aufnahme gefunden — bringt nicht kulturelle Zusammenhänge, sondern Einzelheiten aus dem Alltag eines elisabethanischen Schauspielers, Dramatikers und Theaterdirektors. „Direktor“ ist in diesem Zusammenhang ein ungenauer Ausdruck; die Theater im London des 16. Jahrhunderts waren als kleine Aktiengesellschaften organisiert ; erfolgreiche Schauspieler hatten Anteile am Besitz und an Einnahmen des Theaters und daher ein Wort in der Geschäftsführung mitzureden. Denn das Theater war ein großes Unterhaltungsgeschäft, vergleichbar dem heutigen Film, und man betrieb es nach streng geschäftlichen Patenten. Das Stückeschreiben war eine Zulieferungsindustrie, die sich nach dem Tagesbedarf und dem Publikumsgeschmack richtete, und je Stück bekam der Autor eine Summe bezahlt, die zwischen zehn Shilling und zwei Pfund schwankte. Ein Umstand zweifellos, der die große Produktion Shakespeares erklärt und die Tatsache, daß die Stücke selbst in der Qualität alles andere als gleichmäßig sind. Man kann übrigens recht genau an der Chronologie der Shakespearschen Dramen und Lustspiele den jeweiligen Geschmack des Publikums ablesen, eines Publikums, das wenig Wert auf Glaubwürdigkeit oder historische Treue legte, sondern das schlicht und einfach unterhalten werden wollte.

Angesichts der Qualität englischer Geschichtsschreibung ist es fast überflüssig, zu bemerken, daß beide Bücher angenehme Lektüre sind, auch in der deutschen Übersetzung.

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