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Der unsichtbare Gehalt

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Gewiß, vielleicht war der Verfasser einer der allerdings wenigen, die den Mut und die Kraft haben, sich das eigene und das Gesicht der österreichischen Kirche gewissermaßen von außen anzu- schauėn. Das tut uns zweifellos sehr not —r heute, da eben doch 45 Prozent oder noch mehr Österreicher im Lager eines liberalen Sozialismus stehen und von den übrigen wohl auch nicht mit Bestimmtheit zu sagen sein wird, wie viele von ihnen überzeugte, lebendige Katholiken sind. Mit solchen Augen gesehen, müssen unsere Stifte wie erratische Blöcke eines längst abgetanen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Feudalismus dastehen. Und diese wahrhaft kritischen Augen sehen in dieser Erscheinung, die in Österreich nicht zu übersehen ist, das Angesicht der Kirche. Gibt es aber nicht über die sichtbaren Dinge hinaus einen unsichtbaren Gehalt?

Von den vielen zehntausend Hektar Land und Wald, die heute den Besitz der österreichischen Klöster darstellen und bei weitem das größte Kapital der österreichischen Kirche sind, hat vor kurzem ein hochangesehener und katholisch-lebendiger bedeutender Politiker gesagt: Wenn diese Möglichkeiten nur nicht wieder einmal von anderen verwendet werden, bevor man selbst das Gebot der Stunde erfaßt und sie den entsprechenden Zielen zugewandt hat!“ Dabei ist es nicht unbekannt geblieben, daß Stifte sich zu lukrativen Unternehmungen (Wäschereien!) entschließen wollten, die wahrhaftig nicht mehr im Radius ihrer geschichtlich gegebenen Aufgaben gelegen sind. Aber wäre es eine Illusion, sich einfe von allen österreichischen Klöstern gemeinsam aufgezogene Wohnungsbauaktion „österreichische Stifte bauen für junge Familien“ vorzustellen, die zwar nicht der Aktion der Gemeinde Wien Konkurrenz machen kann, die aber doch im Weichbild einer der österreichischen Großstädte einen wirksamen, auch visuell wirksamen Beitrag zur Behebung der Gefahr unseres Volkes darstellen würde, der Entvölkerung durch den Untergang unserer Familien, nicht zuletzt durch Wohnungsmangel? Das wäre eine für lange Zeit überzeugende Tat der öster-

reichischen Klöster im Rahmen dieses Katholikentages. Natürlich dürfen dabei irgendwelche finanzielle Aussichten nicht ausschlaggebend sein, da müßte einmal Kapital ebenso investiert werden, wie es etwa einstens in den Kuppeln und Fresken investiert wurde. Ihre Früchte waren und sind Legion, aber unzählbare. Heute, da Kunstwerke ja doch mehr oder weniger wie Museen durchgangen und nur von wenigen verstanden und dadurch mitgenommen werden, müßten diese Kulturstätten, nämlich die Klöster, einen Beitrag für die heutige Kultur leisten, und der wird, entsprechend ihrer Not und der damit gegebenen Primitivität, wesentlich unmusischer sein als in früheren Zeiten: Räume für ein erträgliches Familienleben.

Auch in den Gymnasien scheint eine gewisse Änderung wünschenswert. Denn immer wieder hört man den Vorwurf: Die unzähligen liberalen österreichischen Beamten — sind sie nicht meistens in euren Gymnasien erzogen worden? Wie viele kenne ich doch selber! Einer, ein Prachthumanist und alter Korpsstudent, selbst gewesener Direktor einer Mittelschule, spricht von seinen alten Lehrern und Patres eines Stiftes gern, deren Begleitung auf Jagdpartien ihm noch unvergeßlich blieb. Es müßte doch möglich sein, daß diese Stätten einer hohen geistigen Atmosphäre Menschen bilden, die mit ihrem Wissen eine diesem gleichwertige christliche Bildung verbinden und die als geformte Gläubige an der zweifellos fälligen Um- und Neugestaltung unserer Welt in wesenhaft christlichem Sinne Anteil nehmen. Es scheint, daß diese Gymnasien eine unabdingbare Chance unseres österreichischen Katholizismus darstellen und daß geistliche Lehrkräfte ruhig dort Latein, Geschichte oder Physik dozieren können, wenn sie nur zugleich verstehen, all diese Erkenntnisse zu einem unseren heutigen Anfordernissen s t a n d h a 11 e n d e n christlichen Weltbild zusammenfügen können.

Ein weiteres ist die Seelsorge Was aus den Stiften für bedeutsame Anstöße für das christliche Leben kommen, beweist Klosterneuburg mit Pius Parsch.

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