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Die Bäuerin an letzter Stelle

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Das bäuerliche Jahr mag in seinem wechselnden Arbeitsrhythmus noch so hart sein, mit den Tagen vor und nach den hohen kirchlichen Festen wird es auch auf dem Bauernhof still. Für kurze Zeit zeigt sich das Leben der Familie in der Freude und Liebe zum Nächsten deutlicher. Seine Form und Gestaltung gibt, ihm, wenn auch nicht immer so empfunden, die Bäuerin als Mutter und Hausfrau. Auch der wortkargste Bauer spürt dies dann plötzlich und ringt sich ein Dankeswort ab, ja nimmt sich laut oder im stillen vor: sie soll es künftig leichter haben, ihr Leben dürfte eigentlich nicht so weitergehen! Aber nur zu schnell haben die wachsenden Anforderungen des Alltags die guten Vorsätze geschluckt, und die Bäuerin steht nun wieder an der ihr scheinbar vom Schicksal bestimmten letzten Stelle.

Bedarf diese Feststellung noch näherer Erläuterung? Teilt die Landfrau in ihrer „Stellung“ im übrigen nicht da3 Schicksal vieler städtischer Hausfrauen, nur eben noch erschwert durch ihre Einspan-nung in die bäuerliche Familienwirtschaft? Ist es nicht überhaupt das Schicksal der Frau, dienend ihr Letztes herzugeben und sich ihrer Familie immer wieder zu opfern?

Wenn dies der Gang der Welt war, so ist doch damit nicht gesagt, daß es wohl nicht anders ging und daß es ewig so bleiben wird. Das Hohelied der entbehrenden und geschundenen Bäuerin zeigt heute nur noch in manchen Bauernromanen seinen „reinen“ Klang. Die Wirklichkeit offenbart hier soziale Tatbestände, die — ins Außerfamiliäre übertragen — schon längst zu Generalstreik und schwersten sozialen Erschütterungen geführt hätten. Aber, die schleichende Krise der bäuerlichen Ehefrau und Mutter äußert' sich in anderen Ausdrucksformen und hält sich vom Geschrei der Straße fern. Man muß schon den Schleier von dieser menschlichen Not fortreißen, um der tatsächlichen Gefahr ins Auge sehen zu können.

Wie antwortet heute die Bäuerin auf die ständige seelische und körperliche Überlastung, hervorgerufen durch den längsten Arbeitstag ihrer Umwelt, durch eine arbeitstechnisch meist absolut überholte Arbeitserschwernis, durch eine zu selten durchbrochene, gleichförmige Arbeitsmühle, durch einen laufenden Verzehr innerer Substanz, dem vor allem aus einer ausgehöhlten Ehegemeinschaft keine genügenden Kraftquellen gegenüberstehen, durch einen ewigen Mangel an Zeit, um Mann und Kindern wirkliche Ehegefährtin und Mutter sein und sich auf eigenes Wesen und Persönlichkeit besinnen zu können?

Ihr äußeres Bild trägt schon in noch zu jungen Jahren unverlöschbare Spuren seelischer Erstarrung, körperlicher Abnutzung und frühzeitigen Alterns. Das Gesicht ist durch überbeanspruchte Willensanstrengungen im Ausdruck hart geworden. Schlimmer und zerstörender sind die inneren Folgen. Der Wille zur großen Familie wird immer häufiger durch die von der Stadt schon länger geübte Geburtenbeschränkung abgelöst. Gibt es einen traurigeren Beweis für diese Tatsachen, wenn Bäuerinnen ihren Töchtern jedes andere nur nicht das selbst gelebte Leben wünschen? Ist die bäuerliche Ehe heute in vielen Fällen mehr als eine zwingend gewordene Arbeitsgemeinschaft, in der kein Raum mehr für die menschliche Seite ehelicher Bindung von Mann und Frau ist? Wenn schon dem Bauer der Vorwurf gemacht wird, er nähme in der größeren Zahl zu wenig Anteil an den öffentlichen Fragen außerhalb seines Hofes, so hat die Bäuerin selbst hier schon lange kapituliert und hätte doch gerade im höchsten Maße Veranlassung, besonders aktiv zu werden. So aber nimmt sie resignierend die ihr gelegentlich noch gebotene Hilfe kaum oder doch viel zu langsam auf.

Wer unter Bezug auf manche tatsächlich im Laufe der neueren Entwicklung auch der Bäuerin zugute gekommene Hilfestellung meint, die Gefahren seien hier zu schwarz gesehen, wird den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht und macht sich mitschuldig an einer gefährlichen sozialen Verschleierung. Der Arbeitstag der Bäuerin läßt sich zu ihrem Nachteil noch immer nicht mit dem der anderen arbeitenden Familienmitglieder oder gar der fremden Kräfte vergleichen. Gegenüber der heutigen Technik der bäuerlichen Außenwirtschaft hinkt die Innen Wirtschaft, die ja vornehmlich der Arbeitsplatz der Bäuerin ist, in geradezu trostlosem Maße nach. Schon ein Bruchteil der für die erstere aufgebrachten Mittel könnte der Bäuerin das Leben lebenswerter machen. Traditionelles Zurückstellen der eigenen Wünsche zugunsten des männlichen Arbeitsbereichs hat die an sich bereitstehenden Möglichkeiten moderner Arbeitswirtschaft und Hauswirtschaftstechnik bisher nur in ganz unzureichendem Maße ausgenutzt. Das Bild der landwirtschaftlichen Ausstellungen und Messen ist dafür sehr bezeichnend. Hinter der Menge der männlichen Besucher verschwindet die wesentlich geringere Zahl der anzutreffenden Frauen. In größter Selbstlosigkeit reden diese ihren Männern noch zum Traktorenkauf zum Beispiel zu, während sie die für den Haushalt und die Innenwirtschaft gezeigten Dinge zwar Interessiert zur Kenntnis nehmen, aber sich nur zu schnell darüber klar sind, daß es für sie eben doch wieder nicht reicht.

Ist das alles eine rein wirtschaftliche Frage? Wenn dem so wäre, dann müßte dennoch gefragt werden, warum schließlich der unbefriedigende bäuerliche Arbeitsertrag in so besonderem Maße und so nachhaltig die Frau und Bäuerin treffen muß. Aber — die Gründe liegen hier tiefer und sind deshalb auch schwerer zu beiseitigen.

Wenn heute die Entwicklung doch schon deutlich zeigt, daß in der Welt der

Lohn- oder Gehaltsempfänger alle wirtschaftlichen und politischen Nöte nicht mehr allein auf dem Rücken des sozial Schwächsten ausgetragen werden, trifft dies für den Lebensbereich der Ehefrau und vor allem der Bäuerin nicht zu, obgleich hier die Grenze der Tragbarkeit im allgemeinen schon überschritten ist.

Wenn die Bauernwirtschaft zu wenig rentabel ist, so müssen sich Bauer und Bäuerin notgedrungen schwer tun. Was hier aber auf die Dauer immer zerstörender wirken muß, ist die Tatsache, daß die gemeinsam zu tragenden Lasten täglich und jahrüber mit zu erdrückendem Gewicht die Bäuerin treffen. Wo liegt die sittliche Begründung dafür, daß ihr Arbeitstag in der Regel zwei bis drei Stunden länger dauert als der des Mannes und der übrigen Familienmitglieder? Wenn der Bauer nach außen mit guter Begründung einen gerechten Arbeitsertrag fordert, so besteht doch auch „im Inneren“ ohne Zweifel für die Bäuerin mit Recht der Wunsch nach gerechter Lastenverteilung. Hier klaffen Gegensätze, die an den Kern dieser Frage rühren.

Von zwei Seiten her könnte hier Wandel geschaffen werden. Einmal wird die Bäuerin mehr als bisher die Wahrung ihrer „Rechte“, die ja keineswegs primär egoistischer Natur sind, selbst in die Hand nehmen müssen. Es geht dabei nicht allein um den Küchenmotor oder die Waschmaschine. Wichtiger ist, daß die Frauen zur Sicherung ihrer familien-haften Aufgaben selbst fest und deutlich dem Manne gegenüber ihrem Naturrecht einen zeitgemäßeren Platz sichern. Revolutionäre Methoden erscheinen hier sinnlos und entsprechen nicht der in der Familie gegebenen Ausgangslage. Die Frau und Bäuerin kann hier wohl nur sehr bewußt einen inneren Entwicklungsprozeß einleiten.

Mehr und Entscheidenderes aber muß vom Manne hiebei geleistet werden. Dies gilt für das Grundsätzliche dieses Problems wie auch gerade für das tägliche Leben. Der notwendige Wandel im Denken und Handeln wird von jedem einzelnen zu vollziehen sein, damit in einer männlich bestimmten Welt die Frau an der Seite des Mannes wirklich leben und wirken kann. Eine verantwortlichere Anerkennung des Wesens und Arbeitskreises seiner Frau gibt dem Bauern allein die Gewähr für eine der unentbehrlichsten Voraussetzungen zur Bestanderhaltung seiner Familie, aber auch seines Hofes. Nur dann ist auch für die bäuerlichen Nachkommen zu hoffen, daß in ihrer Generation die Frauenfrage kein unlösbares Problem wird. Außerdem muß erkannt werden, daß die Gefahren der Flucht aus der Landarbeit nicht zuletzt Von dem richtigen Standpunkt der Landfrau als mitsorgender Ehefrau und mitwirtschaftender Hausfrau abhängen.

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