6655721-1959_28_11.jpg
Digital In Arbeit

Die schönen, die schönsten, die allerschönsten

Werbung
Werbung
Werbung

Es klingt schön und verlockend: „Die schönsten Erzählungen aus Oesterreich.“ Handbuch unvergänglicher Prosa. Mit einem Geleitwort von Franz Theodor C s o k o r. Lizenzausgabe für die Büchergilde Gutenberg, Wien, sonst Verlag Kurt Desch, Wien-München-Basel. 846 Seiten, 22.50 DM. Aber man sollte vorsichtiger sein mit solchen Vorschußlorbeeren. Gewiß haben 100 Jahre schon genügt, um vieles in diesem Buche, von Grillparzer, Sealsfield und Stifter bis Broch und Musil, im Glanze der Unvergänglichkeit zu bewahren. Schwieriger wird es in der neuesten Zeit, wenn sich die Unsterblichkeit kränzeschwer auf Häupter wie Hans Habe und Robert Neumann senkt. .. Sicherlich wird es immer Geschmacksache sein, welche Autoren und welche Proben ihrer Werke der Aufnahme in solche Sammelwerke gewürdigt werden. Wenn aber nun einmal, wie hier, superlativische Maßstäbe im Titel vorgegeben werden, müßte die Auswahl wohl strenger, sachlicher und unbefangener sein und dürfte anderseits nicht solche Lücken aufweisen wie das Fehlen Alfons Petzolds, Paula Groggers etwa oder so gut wie aller religiösen Literatur, von der lediglich die Handel-Mazzetti mit einem durchaus unrepräsentativen Stück, der Sand-Trilogie, vertreten ist. Vergebens sucht man den Mann, der dafür den Kopf herzugeben hätte. Der Verfasser der grundgeischeiten „Einführung", Franz Theodor Csokor, ist jedenfalls über jeden Verdacht erhaben; denn er führt in seinem selbständigen Essay „Die österreichische Novelle“ Namen an, die in der folgenden Auswahl fehlen. und unterdrückt anderseits Autoren, die dann ruhmgekrönt im Buche glänzen. Man möchte nicht einmal beschwören, daß die Auswahl von einem Oesterreicher vorgenommen wurde. Zu den schönsten

Handbüchern zählt das vorliegende jedenfalls nicht, von der Unvergänglichkeit gar nicht zu reden.

Ein anderes Ziel hat sich gesteckt und eine andere, sympathischere Sprache führt ein ähnliches Werk aus dem Wiener Amandus-Verlag. Auch sein Titel schließt eine hohe Verpflichtung ein: „Weit ist das Land." Vier Jahrhunderte österreichischer Erzählerkunst in Prosa. 720 Seiten. 175 S. Aber es steckt sich seine Grenzen mit weiser Demut ab, beginnt mit Enea Silvio und Maximilians „Weißkunig“ als dem Tor des österreichischen Humanismus und endet mit Ada Christen, Peter Rosegger und der Ebner-Eschenbach. Damit entfällt die ganze Problematik der modernen Literatur und wird Raum für die Entfaltung österreichischen Wesens in aller Breite und Tiefe. Der Begriff „Erzählerkunst“ ist großzügig gehandhabt, umfaßt auch Reiseskizzen, Essays und Betrachtungen und Autoren wie Fallmerayer und Pro- kesch, solcherart freilich lange verschollene Kostbarkeiten wieder- oder richtig entdeckend. Für die Textauswahl haftet Josef Friedrich Fuchs, der auch für die schlechtweg vorbildliche, geradezu fürstliche Ausstattung des Bandes mit Färb- und Schwarzweißbildern, zeittreuen und stilvollen Zeichnungen, Holzschnitten und Vignetten eine verdiente Jahresauszeichnung empfangen konnte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung