Elfriede Jelinek  - © Foto: APA/Roland Schlager

Elfriede Jelinek: Die Angabe mit meiner Person

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Wütend und sprachgewaltig blickt Elfriede Jelinek in „Angabe der ­Person“ auf ihr Leben. Die Rückschau fördert einen Erinnerungs- und Erkenntnisprozess über ­eigene Erfahrungen zutage.

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Wütend und sprachgewaltig blickt Elfriede Jelinek in „Angabe der ­Person“ auf ihr Leben. Die Rückschau fördert einen Erinnerungs- und Erkenntnisprozess über ­eigene Erfahrungen zutage.

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Das Buch „Angabe der Person“ wird vom Rowohlt Verlag als die „Lebensbilanz“ von Elfriede Jelinek angekündigt, und obwohl eine Gattungsbezeichnung fehlt, wird suggeriert, dass das Buch der lange erwartete Roman ist. Denn seit der Verleihung des Nobelpreises wurde ihr einziger Roman „Neid“ nicht in gedruckter Form, sondern „nur“ auf ihrer Homepage digital veröffentlicht, während ihre Theaterstücke regelmäßig im Rowohlt Verlag erschienen, zuletzt „Schwarzwasser. Am Königsweg“ (2020).

Die Lektüre des Textes macht sicher: Jelineks Sprachkunst kennt keinen Unterschied zwischen Prosa und Theatertext. Dazu findet sich im Buch schon der Hinweis auf die Uraufführung des Textes im Dezember 2022, am Deutschen Theater in Berlin. Regie führt Jossi Wieler, dem wir seit Jahrzehnten wunderbare Aufführungen von Jelinek-Texten verdanken. In einem Gespräch mit orf.at bekennt Jelinek: „Für mich sind die Stücke genauso Prosa wie die erzählende Prosa. Ich wollte immer, dass man die Stücke auch als Texte liest, aber das passiert halt nicht.“ Jetzt passiert es doch. Darüber wird sich auch die Autorin freuen, der trickreiche Wegfall einer Angabe macht es möglich.

Mix an Bedeutungsebenen

Im Titel verschiebt der Austausch eines Wortes die Bedeutung: Aus dem bürokratischen Begriff „Angaben zur Person“ wird die selbstbewusste „Angabe der Person“. Und schon der erste Satz des Buches verweist auf Jelineks solitäre vielstimmige Schreibweise, in der sich verschiedene Sprach- und Bedeutungsebenen immer wieder ineinanderschieben: „So, bauen wir mal meine Lebenslaufbahn, Hauptsache, ich muß sie nicht selbst noch einmal entlanglaufen, nur langlaufen die letzten paar Meter, ich entziehe mich lieber selbst, bevor ich etwas hinterziehe, das Hinterziehen ist ja zum Volkssport geworden.“

Die Erzählerin ist die Persona der Autorin, die sich hie und da auch als „Elfi“ anspricht und die uns hineinzieht in ihren Erinnerungs- und Erkenntnisprozess über eigene Erfahrungen – vor allem im Kontext des Vorwurfs eines längst eingestellten Steuerhinterziehungsverfahrens und ihrer väterlicherseits jüdischen Familiengeschichte. Dabei ist ihr Terrain die Sprache selbst, die Wirklichkeit produziert, unser Denken und unsere Gefühle bestimmt.

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