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Erfrischende Unzufriedenheit
Nicht ohne Erfolg wird zur Zeit in Österreich versucht, den kon- ziliaren Geist mit Hilfe konziliarer Terminologie zu verscheuchen. Bei uns gibt’s ja keinen offen deklarierten Gegner der Konzilsbeschlüsse, wie dies in anderen Ländern der Fall ist. Dort kommt es zu klaren Abgrenzungen, zu offenen Auseinandersetzungen. In Österreich sind alle, alle fürs Konzil. Auch jene, die unter vier Augen gestehen, daß sie einen Mann wie Papst Johannes für eine schreckliche Gefahr halten.
Die Folge ist jene typische Ver- waschenheit, die auch andere Bereiche unseres Lebens auszeichnet: „Nur kan Streit!“ Und so wird bei jeder Gelegenheit die Bedeutung des Konzils gewürdigt, dessen wesentliche Aussagen unsere ordentliche Seelsorge den breiten Schichten des Kirchenvolkes noch immer nur sehr peripher vermittelt hat.
Trotzdem sind positive Auswirkungen zu erkennen. Vor allem im Atmosphärischen. In dem Beginn einer erfreulichen Entkrampfung, einer erhöhten Eigenverantwortung, in einem größeren Freiheitsraum, in dem wachsenden Bewußtsein, daß nicht alles bis ins Detail vorgeschrieben, gegängelt, reglementiert werden soll, in einer erstaunlichen Attraktivität der Kirche auf geistig regsame Kreise Andersdenkender, die von uns noch gar nicht recht zur Kenntnis genommen worden ist: Wo ist denn in der Praxis jener Dialog, der schon zum Schlagwort wird?
Eine Versuchung scheint darin zu liegen, daß man wieder einmal alles institutionell lösen will, daß das Konzil statisch und nicht dynamisch, rückwärtsblickend als historisches Ereignis und nicht als Ausgangspunkt gedeutet wird. Wie die Schwammerln schießen neue Komitees, Ausschüsse, Synoden, Presbyterien, Beiräte aller Art aus dem Boden, in denen de facto die gleichen Leute sitzen, die schon bis her von einer Sitzung zur anderen eilten. Wo bleibt die Blutauffrischung? Wo das Bemühen, die Meinung jener 75 Prozent zu hören, die nicht zu den „Treuen“ zählen?
Natürlich, der Laie wird großgeschrieben — in Leitartikeln, Predigten, Hirtenbriefen. Seine Verantwortung wird beschworen. Wo aber hat man seit Ende des Konzils zusätzliche Verantwortung in die Hände von Laien gelegt? Die Ablehnung einer gesamtösterreichischen Synode ist — nur zum Beispiel — ohne, ja gegen die Meinungsäußerung der Laien erfolgt. Ähnlich ist es — wieder nur zum Beispiel — auf Pfarrebene, wo auch die besten Initiativen von Laien durch das schlichte „Njet“ eines Pfarrers unterbunden werden können. Wo bleiben die neuen Vollmachten, Entscheidungsbefugnisse, Kompetenzen für die Laien?
Noch etwas ist zu beobachten: Eine erfrischende Unzufriedenheit mit bestehenden organisatorischen
Strukturen im kirchlichen Raum. Diese Unzufriedenheit wird freilich dort fragwürdig, wo man glaubt, jede Organisation entbehren zu können beziehungsweise wo der latente innerkatholische Organisationsbürgerkrieg mit Konzilszitaten frisch, fröhlich, fromm und frei weitergeführt wird. Nun ist es gewiß notwendig, die Wirksamkeit von Organisationen — etwa der Katholischen Aktion — im Vergleich zu den Massen der abgefallenen und abgestandenen Christen zu Untersuchen. Die Frage nach der Arbeiterschaft drängt sich in besonderer Weise auf. Es wäre aber wohl um das Papier der Konzilstexte schade, sollte es jetzt jenen als willkommene Munition dienen, deren Trauma es ist, 1945 nicht recht zum Zug gekommen zu sein, und die heute gegen ein angebliches „Monopol“ wettern, weil sie gestern den geistigen Anschluß verpaßt haben. Deshalb: Ein Ja zur Überholung unserer Organisationsstrukturen nach sorgfältiger Prüfung der Situation, ein Nein allen Tendenzen, die ausgerechnet heute unter pseudo-apostolischen Vorzeichen ein überholtes Positionsdenken durchboxen wollen.
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