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Erinnerung an die Erde

19451960198020002020

Ein Nachlaßwerk von Henry Benrath. Herausgegeben von Fritz Usin-ger. Deutsche Verlag - anstalt, Stuttgart. 205 Seiten. Preis 17 DM

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Ein Nachlaßwerk von Henry Benrath. Herausgegeben von Fritz Usin-ger. Deutsche Verlag - anstalt, Stuttgart. 205 Seiten. Preis 17 DM

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„Mnemosyne" lautet der Untertitel dieses Bandes, der 20 Elegien enthält und von Fritz Usinger, dem bedeutenden deutschen Lyriker und Essayisten, herausgegeben wurde. Das Buch, „das schon auf andrem Stern geschrieben scheint als Erde", wie anfangs der ersten Eiegie gesagt wird, ist eine dichterische SelbstdarsteJlung. Rückschauend betrachtet der Dichter die Kräfte, die sein schöpferisches Leben bestimmt und geformt haben. In seinem vielschichtigen Gesamtwerk, das so manchen Lesern als seltsam gegensätzlich erscheinen mag, wird nun die innere Einheit und Geschlossenheit sichtbar und alle Wandlungen erweisen sich als schicksalhaft notwendige Stufen der menschlich-künstlerischen Entfaltung. Diese Elegien bedeuten den Abschluß der letzten Schaffensperiode Benraths, die im Zeichen des Bestrebens steht, die eigene weltanschauliche Position zu verdeutlichen.

„Erinnerung an die Erde" faßt nun die wesentlichsten Einsichten und Impulse nochmals zusammen. Der gedankliche Reichtum des Werkes kann nur angedeutet werden. „Alle Gewalten seines Daseins werden hier noch einmal aufgerufen und erhalten ihren Wirkungsort innerhalb der geistigen Ordnung des Dichters zugewiesen", schreibt F. Jüsinger. Benrath beschwört die Erinnerung an Ereignisse seines Lebens, an Menschen, Landschaften und Städte (die erste Elegie ist Paris gewidmet, wo er lange gelebt hat), und zwar so, daß sie aus dem Bereich des Privaten in das Sinnbildhafte erhoben werden und das Gesetz seiner Persönlichkeit, wie es sich auf der einmaligen. unwiederholharen Entfaltungsstufe mit Notwendigkeit offenbart. aufleuchten lassen. Aeußeres nnd inneres Geschehen verschmelzen. Ein solches Gesetz läßt sich nicht mit einer Formel ausdrücken, es ruht im Geheimnis des schöpferischen Wesens. Adelige Beherrschung, apollinisches Maß, stoische Einsicht in unverrückbare Grenzen des Menschlichen und Hingabe an das Werk kennzeichnen die Geistigkeit des Dichters, dem die Tat ein „Vollzug des Auftrags im Gesetz der Bindung" ist. Fern von jedem unfruchtbaren Intellektualismus, ist sich Benrath der Bindung an die irrationalen Mächte der Erde immer bewußt. Die Kräfte des Ursprungs werden in ihrer Bedeutung erkannt. Im „Gesang der Erde" verbindet er die großartige dichterische Beschwörung der Heimatlandschaft mit der Deutung des eigenen Wesens und Wachsens. Diese hessische Heimat, Frankreich, der Mittelmeerraum, der Orient, die Geisteswelt der Antike und die des Fernen Ostens, das sind die Erlebnissphären des Dichters. Den Geist erkennt Benrath „als an das Sein gebunden; nie vom Sein gelöst". Das seelische Wachstum bestimmt die Ordnung, die der Mensch ohne anmaßende Forderungen anzuerkennen hat. Es ist bewundernswert, wie es Benraths hoher Sprachkunst gelingt, Tiefstes im dichterischen Bild auszudrücken. Am schönsten aber sind jene Stellen, wo er den Glanz und den Zauber einer Landschaft aufleben läßt.

In den Versen, die dem Buch vorangestellt sind, heißt es: „Mnemosyne sagt, woher ich stamme", und darin liegt vor allem die Bedeutung dieses ungewöhnlichen Werkes, das vom Leser wirkliches Bemühen erfordert. Es führt zu einem tieferen Verstehen von Persönlichkeit und Schaffen des Dichters. — Besonderes Lob gebührt der geschmackvollen Ausstattung des Bandes.

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