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Fanfani tritt nach vorne!

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Nach der Demission des Kabinetts Zoli hat der italienische Staatspräsident Cronchi den Führer der Democrazia Cristiana, Amintore Fanfani, mit der Bildung einer neuen Regierung betraut. Fanfani dürfte ein Kabinett der ..linken Mitte“ (DC und Saragat-Sozialisten mit Unterstützung der Republikaner) der Kammer vorstellen. „Die Furche“

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Nach der Demission des Kabinetts Zoli hat der italienische Staatspräsident Cronchi den Führer der Democrazia Cristiana, Amintore Fanfani, mit der Bildung einer neuen Regierung betraut. Fanfani dürfte ein Kabinett der ..linken Mitte“ (DC und Saragat-Sozialisten mit Unterstützung der Republikaner) der Kammer vorstellen. „Die Furche“

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Der Mann, der sich kurz vor der Vollendung des fünfzigsten Lebensjahres der höchsten Stufe seiner polirischen Laufbahn nähert, ist eine mit Intelligenz, Wissen und Erfahrung reich ausgestattete Persönlichkeit. Als Amintore Fanfani 1944 der Democrazia Cristiana beitrat, war der junge Professor der Wirtschaftsgeschichte ein völliger Neuling, wie Hunderte und lausende andere auch. Zwischen den „Alten“ aus der Zeit vor c! r faschistischen Diktatur und den „Neuen“ nach dem Zusammenbruch klaffte ein Zeitraum von zwanzig Jahren, der besonders den sich bewährenden Jüngeren und Jüngsten Chancen gab. Junge Intellektuelle wie Fanfani, La Pira, Dossetti, Andreotti, Rumor, Gui, Del Bo und etliche andere, die sich inzwischen als Unterstaatssekretäre und Minister bewährt haben, wußten diese Chancen zu nutzen. Sie formierten bald einen Stoßtrupp unter Fanfani mit dem vieldeutigen Namen „Ini-ziativa Democratica“; als soziale Erneuerer um jeden Preis sagten sie den zumeist rechtsstehenden „Veteranen“ den Kampf an. Der überragende Politiker und Mann der Mitte aber wußte die junge Generation in Bann zu schlagen und die Tüchtigen in verantwortliche Stellungen, bis hinauf zum Minister, zu bringen.

Fanfani war ein deran Begünstigter. Seinen rapiden Aufstieg — 1947, mit 39 Jahren, war er zweieinhalb Jahre lang Arbeitsminister, 1951 zwei Jahre Landwirtschaftsminister, 1953 ein halbes Jahr Innenminister — verdankt er seiner zielbewußten Arbeitsleistung in allen Stellungen, die er bekleidete, und — eben dem großherzigen Degasperi, der alle Begabungen an sich zog.

Der mit fünf Kindern gesegnete Sohn eines Notars aus Arezzo in der Südtoskana, selbst Erstgeborener von zehn Geschwistern, stammt aus streng katholischem Hause. Die tiefreligiöse, aus Kalabrien gebürtige Mutter teilte ihre Frömmigkeit den Kindern und Enkeln mit; der ständig um sein Brot ringende Vater vererbte ihnen soziale Gesinnung und, mindestens ebenso wichtig, potenzierte Schaffensfreude. Aus diesen beiden Komponenten, denen sich überragende Klugheit zugesellte, erwuchs der Glaube an politische Bestimmung. Seine kleine Gestalt — er selbst gab sein Maß mit 1.61 m an — und sein Beruf trugen ihm bei Studenten und Freunden den wohlmeinenden Beinamen „professorino“ (kleiner Professor) bei, der, um seine Ausdauer und

Beweglichkeit zu kennzeichnen, zum „professorino di ferro“ und zum „motorino“ erweitert wurde.

Die Frage, ob dieser seit fast einem Jahrzehnt nach höchster Bewährung Strebende und die Erwartungen stets Ueberflügelnde das Zeug zu einem hervorragenden politischen Führer besitzt, ist bislang in der Oeffentlichkeit kaum gestellt worden. Heute drängt sie sich auf. Sein unbegrenzter, stets für eine gute Sache sich einsetzender Ehrgeiz verhieß ihm schon lange das höchste Amt in der aktiven Politik: das des Regierungschefs.- Zu ihm war er im Jänner 1954 schon einmal aufgestiegen, ohne freilich damals das notwendige Mehrheitsvotum des Parlaments zu erlangen.

Dieses Scheitern seiner Hoffnungen war vielleicht für ihn ein Glück und, wichtiger, ein Glück für die Christlich-Demokratische Partei, die nach dem plötzlichen Heimgang Degasperis im Sommer 1954 verwaist schien. Nachdem auf dem Parteikongreß von Neapel (Sommer 1954) die Equipe der Jüngeren, an ihrer Spitze Fanfani, durch Mehrheitsbeschluß zur Lenkung der mächtigsten Partei berufen worden war, schien für den erwählten Parteisekretär die völlige Reorganisation der Partei eine der wichtigsten Aufgaben zu sein. Es galt zweierlei: Erstens die Versöhnung der Parteialten mit den Jüngeren, sowohl nach der persönlichen wie der parteiprogrammatischen Seite hin, die in einer „inter-klassistischen“ Partei das soziale Moment im Einklang mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten stärker als bisher hervorkehren mußte; zweitens die Erweiterung der Parteigrundlagen zur Vergrößerung des Mitgliederbestandes. Eine Partei von rund 12 Millionen Wählern mußte, um schlagkräftig zu bleiben, die Zahl ihrer Mitglieder, die zeitweise nur eine Million betrug, vervielfachen. Diesen Aufgaben hat sich Fanfani vier Jahre lang mit nie nachlassender Hingabe gewidmet. Den größten Erfolg dürfte er mit der Stärkung der Parteibasis und durch Herausbildung einer Elite von zumeist jungen „Aktivisten“ davongetragen haben. Nicht zuletzt ist der Wahlerfolg dieser unermüdlichen Organisationsarbeit zuzuschreiben.

Der in diesem Umfang nicht erwartete Sieg bei den letzten Wahlen, der eine erneute Berufung der Partei zur Weiterführung ihrer wachsenden Aufgaben bedeutet, war gleichzeitig ein Vertrauensbeweis der mehr als 12 Millionen Wähler für den die Democrazia Cristiana führenden Mann.

Einem solchen Wählerspruch hatte der Präsident der Republik Rechnung zu tragen, und er tat es, indem er Fanfani mit der Bildung des neuen Kabinetts beauftragte.-

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