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Fernöstliche Dichtung

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DIE GOLDENE TRUHE. Chinesische Novellen aus zwei Jahrtausenden. Herausgegeben von Wolfgang Bauer und Herbert Franke. Carl-Hanser-Verlag, München 1959. 443 Seiten mit 76 Wiedergaben chinesischer Holzschnitte. Leinenband in Kassette. Preis 26 DM. - KRANICH AM MEER. Koreanische Gedichte. Herausgegeben von Peter H. Lee. Auf Grund der Übertragungen des Herausgebers bearbeitet von Franz Wilhelm Hub er und Albert von Schirnding. Carl-Hanser-Verlag, München 1959. 132 Seiten mit sechs Bildern auf Japanpapier. Preis 12.80 DM

Der Hanser-Verlag, der dem deutschsprachigen Leser in den letzten Jahren verschiedene wesentliche Werke der fernöstlichen Dichtung in ausgezeichneten Übertragungen zugänglich machte, legt heuer wieder zwei besonders schöne literarische Zeugnisse aus dem gleichen Raum vor. Der von den Sinologen Herbert Franke und Wolfgang Bauer zusammengestellte Band chinesischer Novellen aus zwei Jahrtausenden (von etwa 300 v. Chr. bis ins 18. Jahrhundert) bedeutet insofern Neuland, als er ausschließlich von Gebildeten für Gebildete in der exklusiven Literatursprache geschriebene Dokumente enthält, die, im Gegensatz zu den volkstümlichen chinesischen Erzählungen, bisher in deutscher Übersetzung nicht vorlagen. Die von den Herausgebern besorgte Übertragung ist hervorragend, die Auswahl so vielfältig, daß das Buch zum Spiegel der chinesischen Kultur wird, wie sie sich innerhalb von zwei Jahrtausenden entwickelte. Auf historische Novellen aus der chinesischen Frühzeit, in denen eine von Macht, Ehre, Kampf, Nachruhm und Treue geprägte ritterliche Welt im Mittelpunkt steht, folgen Erzählungen, die das verfeinerte aristokratische Milieu der nachchristlichen Jahrhunderte widerspiegeln. Die Liebe wird nun ein dankbares Motiv. Wir finden anmutige Liebesgeschichten von treuen, hingebungsvollen Ehefrauen, aber auch pikante Episoden mit kapriziösen Kurtisanen, Einen breiten Raum nehmen phantastische Geistergeschichten ein“, die den Menschen im Bann von übernatürlichen Mächten und Kräften zeigen. Überraschend ist immer wieder die Spannweite dieser chinesischen Novellen, das Nebeneinander sehr rationalistischer und metaphysischer Elemente. — Als Einführung in die uns immerhin fremde Lektüre sollte man das sehr instruktive Nachwort Herbert Frankes lesen, das alle Feinheiten und Besonderheiten dieser schriftsprachlichen chinesischen Dichtung ins rechte Licht rückt. Erwähnt sei noch die besonders schöne Ausstattung des Bandes, der mit reizenden chinesischen Holzschnitten geschmückt ist.

Eine kleine Kostbarkeit, in bezug auf Inhalt und Ausstattung, ist auch der Band koreanischer Gedichte aus etwa 1000 Jahren. Kunstvoll gestaltet und voll tiefen Gehalts ist diese koreanische Dichtung doch von einer köstlichen Urspriinglichkeit, voll Klang und Farbe. Die Natur steht im Mittelpunkt dieser Lyrik, eine mythisch belebte und von Symbolen erfüllte Natur, der der Mensch „als kleiner Punkt im grenzenlosen Kosmos“ eingegliedert ist. Der koreanische Herausgeber Lee weist in seinem aufschlußreichen Nachwort auf diesen Unterschied der fernöstlichen und westlichen Naturauffassung und der Rolle des Menschen innerhalb der Welt hin; ein Unterschied, den man kennen muß, um die Bilder und Gedanken der koreanischen Lyrik richtig zu erfassen.

Zahl die freunde, die ich habe: Kiefer, Bambus, Stein und Wasser. Mond, auch du bist mein Gefährte, leuchtend überm Ostgebirg. Sag, wie sollt ich mehr mir wünschen, sind nicht diese fünf genug? Das geduldige Betrachten, Sichversenken und Sichverlieren, das harmonische Einswerden auch mit den Erscheinungen der Natur, das Erkennen des Zeitlosen im Zeitlichen und die Hinwendung zum Ewigen — das sind die immer wiederkehrenden Erfahrungen der koreanischen Dichter. Erfahrungen, die uns Abendländern durch unseren hastigen Lebensrhythmus und unser nach außen gerichtetes Dasein weitgehend verstellt sind und die uns vielleicht gerade darum besonders faszinieren. Hier finden wir sie ganz unverfälscht und unmittelbar, Ruhe und Bescheidung ausströmend, auf die uns zu besinnen not tut.

FÜNF GESCHICHTEN VON LIEBENDEN FRAUEN. Von Ibara Saikaku. Aus dem Japanischen übersetzt von Walter D o n a t. Carl-Hanser-Verlag, München. 157 Seiten mit 1.7 zeitgenössischen Holzschritten. Leinen. Preis 14.80 DM.

Mit den fünf Liebesgeschichten Ibara Saikakus legt der Hanser-Verlag ein klassisches Werk der japanischen Literatur vor, das Walter Donat hervorragend ins Deutsche übertragen hat. Der Autor lebte im 17. Jahrhundert und ist einer der bedeutendsten literarischen Vertreter des die feudale Epoche ablösenden japanischen Großbürgertums.

Saikakus poetische Liebesgeschichten weisen in ihrer Thematik manche gemeinsamen Elemente mit der italienischen Renaissancenovelle auf, zeigen aber in dem Neben- und Ineinander einer naiven, sinnenfrohen Diesseitsbejahung und des immer gegenwärtigen Gefühls für die Vergänglichkeit alles Irdischen eine sehr östlich anmutende Lebensauffassung, die in den religiösen Traditionen des Buddhismus ihre Wurzeln hat.

„Nichts törichter in der Welt als die Liebe“, heißt es in einer dieser Erzählungen. Aber wie anmutig, humorvoll und nachsichtig werden solche Liebestorheiten geschildert. Doch tastet Saikaku bei allem Verständnis für die Irrwege der Liebenden nie die strengen Moralvorstellungen seiner Zeit an. Zwar geraten fast alle seine Liebespaare in schuldhafte Verstrickungen, aber sie büßen auch dafür, meist sogar mit dem Tod. „Keinen gab es, dem sie nicht leid tat“, berichtet der Erzähler von der schönen, jungen Oshichi, die hingerichtet wird wegen ihrer Verfehlungen. „Doch bedenke man wohl: Der Mensch soll das Böse meiden, und sei es im Spiel. Der Himmel duldet es nicht.“

Interessant ist auch das Nachwort des Übersetzers über die Stellung Saikakus in der zeitgenössischen japanischen Literatur, die bei uns noch sowenig bekannt ist. Das Buch, ausgestattet mit 17 Illustrationen von Yoschida Hambei, einem berühmten Holzschneider des 17. Jahrhunderts, ist eine köstliche Gabe für Liebhaber der ostasiatischen Literatur.

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