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Gefährliche Verharmlosung
EINEN STEIN FÜR DANNY FISHER. Roman von Harold R o b b i n s. Aus dem Amerikanischen über-setzt von Pit von Härtungen. Paul-Zsolnay-Verlag, Hamburg, Wien 1959. 448 Seiten
Dieser Roman gehört nicht zu der Kategorie von Neuerscheinungen, die wir zu besprechen pflegen. Wenn wir uns dennoch zu einer Auseinandersetzung entschlossen haben, so lediglich, um auf die Gefahr hinzuweisen, die 6olche Bücher bedeuten, wenn 6ie in die Hände von unreifen Jugendlichen geraten. Es findet da eine verhängnisvolle Verwirrung der Maßstäbe statt, die den unkritischen Leser, vor allem aber jene große Zahl von jungen Menschen ungünstig beeinflussen muß, die ihre Leitbilder au6 Comics, anderer Schundliteratur und Wildwestfilmen zu beziehen pflegen.
Nun gehört dieses Buch gewiß nicht zur ausgesprochenen Schundliteratur, aber gerade dadurch kann seine Wirkung, wie wir sehen werden, um so gefährlicher sein. Der Autor stellt einen Menschen in den Mittelpunkt der Geschehnisse, der von Haus aus durchaus sympathisch ist. Unsere Anteilnahme für ihn wird gleich zu Beginn geweckt, als der kleine Danny Fisher, der seiner jüdischen Herkunft wegen sich einer ihm unverständlichen Abneigung, ja Verfolgung gegenübersieht, unter den Steinwürfen der Nachbarskinder einen Hund vor einem grausamen Tod zu retten versucht. Danny ist also mitleidig und warmherzig! In der wirtschaftlichen Misere, in die seine Familie immer tiefer hineingerät, erweist er sich als uneigennütziger Helfer; aber gerade diese Hilfsaktionen treiben das halbe Kind in eine verhängnisvolle Abhängigkeit von skrupellosen Geschäftemachern, die über Leichen gehen, aber eine weiße Weste haben; von brutalen Gangstern auch, gegen die der junge Danny 6ich schließlich nur mit ihren eigenen Methoden zu wehren vermag. Er wird so etwas wie ein „edler Verbrecher“, dessen fragwürdige Taten, weil er sie tut und weil sie sich zumeist gegen Berufsverbrecher und andere dunkle Existenzen richten, mit einem Schein von Recht umgeben sind. Wohl bleibt Danny im gewissen Sinn der Gegenspieler jener Gangster, die ihr Handwerk mit Leidenschaft und ohne jeden Skrupel betreiben; er ist ja zunächst aus Not in Schuld geraten und möchte so gern ein anständiges Leben führen. Und doch wird auch er immer wieder in Situationen gezeigt, in denen die brutale Abrechnung mit seinen Peinigern beinahe wie eine Verherrlichung wirkt. Wir hören m allen Einzelheiten, wie er sich seiner Verfolger entledigt, mit welchen Kunstgriffen er sie unschädlich macht und niederschlägt; und es kommt ihm auch nicht darauf an, einem schon gefesselten Gegner noch einen gehörigen Kinnhaken zu versetzen, um ihn ja deutlich genug sein Übergewicht spüren zu lassen und gleichzeitig seine Milde, die darin besteht, daß er ihn nicht niederknallt.
Gerade weil dieser Danny im Grunde ein guter Mensch ist, der immer wieder versucht, sein Leben in Ordnung zu bringen, um von den Umständen nur immer tiefer in die Unordnung getrieben zu werden,
muß seine Wirkung auf anfällige Jugendliche eine verhängnisvolle sein. Daran ändert auch nichts, daß der Autor ihn schließlich sich selbst opfetn läßt, um seinen Schwager zu retten, der, genau wie er, sich bei allen dunklen Unternehmungen noch eine Portion Anständigkeit bewahrt hat. Durch dieses Neben- und Ineinander von echten Gefühlen und Verbrechen, in gutem Willen und fragwürdigen Taten, wird es dem unreifen Leser und unausgegorenen Jugendlichen nahezu unmöglich, eine klare Stellung gegenüber den Geschehnissen zu beziehen, sie richtig einzuordnen und zu werten. Zweifellos ist dieser Danny Fisher durch die Umstände, in die er ausweglos verstrickt ist, auf seine falschen Wege geraten. Aber man darf das Böse nicht verharmlosen, indem man aufzeigt, daß es aus der Unvollkommenheit der Umwelt resultiert.
Die Absicht des Autors war sicher eine gute: er wollte gegen Mißstände unserer Ziit und gegen die Lieblosigkeit der Menschen protestieren Aber er hat sein Anliegen an einer fragwürdigen Situation zu demonstrieren versucht, die zumindest ebenso mißdeutet wie richtig verstanden werden kann
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