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Hellas mit Fragezeichen

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DER BULLE AUS DEM MEER. Roman Ton Mary Renault. Aus dem Englischen. Freti-und-Wasmuth-Verlag AG., Zürich und Stuttgart. 320 Selten. Preis 18.50 sFr. — ODTS-SEUS, SOHN DES ODTSSEUS. Roman Ton C. P. Rodoeanachl. Aus dem Französischen. Forum-Verlag, Wien-Hannover-Bern. 264 Seiten. Preis 89 S

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DER BULLE AUS DEM MEER. Roman Ton Mary Renault. Aus dem Englischen. Freti-und-Wasmuth-Verlag AG., Zürich und Stuttgart. 320 Selten. Preis 18.50 sFr. — ODTS-SEUS, SOHN DES ODTSSEUS. Roman Ton C. P. Rodoeanachl. Aus dem Französischen. Forum-Verlag, Wien-Hannover-Bern. 264 Seiten. Preis 89 S

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Den Roman „Der Bulle aus dem Meer“ zu lesen, bereitet fürs erste Genuß und Vergnügen. Dies erzielt Mary Renault vor allem durch ihre Schreibweise, eine wohltuende und geschmackvolle Verbindung des würdevoll Antiquierten mit dem uns Geläufigen. Aber das Erfreuliche währt nicht lange. Bald ergibt sich nämlich, daß „Der Bulle aus dem Meer“ die Fortsetzung eines anderen Romans ist, „Der König muß sterben“. Beide Bücher zusammen bilden eine Art Lebensgeschichte der mythologischen Figur des Theseus. Die Verfasserin versucht allerdings, uns diesen zweiten Roman als selbständiges Werk vorzustellen. Die Hinweise auf das im ersten Buch Erzählte sind jedoch dürftig und verwirrend, man wird dadurch mehr verärgert als gültig unterrichtet. Also bleibt das Buch Krummer zwei ein Zwitterwesen, teils Fortsetzung, teils selbständiges Werk. Daß der Leser, wenn er auf einer der letzten Seiten angelangt Ist, dort erst eine verspätete Inhaltsangabe von Nummer eins in einem Nachwort findet, ist ein Beweis für Mary Renaults schlechtes Gewissen, kann uns aber in zwölfter Stunde nicht über die grundsätzlichen Mängel des Romans hinweghelfen. Dazu tritt noch, daß hier die umfänglichen Berichte über Erlebnisse des hellenischen Helden Theseus wieder und wieder von dem seit jeher in der altgriechischen Sage Festgehaltenen abweichen, ohne daß uns begreiflich würde, weshalb dies geschieht. Daß der Roman auch ungeachtet seiner bösen Längen manches sehr Fesselnde enthält, stellen wir gerne fest, so die reizvolle Erscheinung der Amazonenkönigin Hippolyte. Auch hier allerdings drängen sich uns Bedenken auf. Wenn sie, des Theseus liebreiche Gefährtin, an seiner Seite im Kampfe gefallen ist, verschwindet sie mit einemmal so restlos aus seinen Gefühlen, daß wir alles menschliche Verständnis für ihn einbüßen. Es wird in diesem Buch überhaupt zuviel gestorben. Man denkt dabei tröstlich an die Tiroler Ritterspiele, bei denen wegen der vielen Leichen für die Überlebenden kaum mehr Platz ai der Bühne übrigbleibt.

Ebenso zwiespältig ist für d< Leser auch der Roman „Odyssei Sohn des Odysseus“. Der Aut C. P. Rodocanachi beginnt in g fälliger Weise das antike Hellas rr dem Griechenland von heute zu ve binden. Er kennt beides, das myth logische Einst wie die rauhe Gegei wart. Und er zieht daraus amüsan Folgerungen. Dann aber verschwii det rasch die Beziehung zur Antil und es entsteht ein Abenteue roman, der in den ersten Weltkr hineinspielt. Der moderne Odysseu ein durchtriebener Jüngling, erlel die tollsten Dinge, er beginnt a Schuhputzer, tritt mit Schmugglei in Verbindung, wird Berater di Mahdi und des Lord Kitchener ur steigt vom wieder obdachlos gewo: denen Vagabunden zum amerikan sehen Krösus auf. Man kann di Ganze nicht einmal eine Persiflaj des Hellenischen nennen, es ist, w gesagt, ein Abenteuerroman, de man noch lieber lesen würde, wen sich der Verfasser in seiner Darste lung des spätgeborenen Odyssei mehr Zucht auferlegen wollte.

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