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Hofmannsthals Welttheater und anderes

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Letzte Premiere, vor sommerlichem Torschluß, in der Burg. Hofmannsthals Salzburger Großes Welttheater'. Eine sehr bemühte Aufführung der Regie Aslans. Der Wiener freut sich, Else Wohl-gemuths Organ zu hören und In Attila Hörbiger einen prachtvollen menschlichen Bettler zu sehen. Gewohnte Burgtheater-feerien, nicht fern dem Zauber des Prater-barocks, treten diesmal nicht allzu deutlich hervor. Die Bühne tut ihr Bestes.

Sosehr die Hitze der Zeitsituation die zunehmende Verengung der Geister und Verhärtung der Herzen hüben und drüben eine seinsgerechte Beurteilung dieses Stückes heute erschwert, es muß gewagt werden, einiges deutlich anzusagen.

Ergreifend das Ringen Hofmannsthals, des als Ästhet und Snob verschrieenen Dichters,' um eine Begegnung mit der gesellschaftlichen und seelischen Problematik der Gegenwart, im „Andreas“, im „Turm“ und im „Salzburger Großen Weltttiealer. Dem Einsamen fehlt es wahrlich nicht an innerer Offenheit für die Nöte der Massen, für das Elend einer Welt, deren Ordnung zerbrochen. Sein Scheitern hat tiefere Gründe. Dem Mann des fin de siecle ist der Einstieg in die Quellgründe des Religiösen, konkret der christlichen Transzendenz, verwehrt. Seine Ahnung, sein hochentwickelter Tast- und Spürsinn kann, wie seine Wortkunst, die Realität personaler Begegnung mit dem „Gott Abrahams, Isaaks und Jaakobs“, wie sie Pascal im Memorial festhält, nicht ersetzen. Wo Hofmannsthal also das Religiöse anrührt, bleibt es bei sehr klugen, feinen, zarteji, oft durchaus „richtigen“ Bemerkungen, bei hoher Anempfindung. Den Einbruch der göttlichen Gewitter in die eigene Existenz erlebt er nicht und muß deshalb in schöne, ferne, fremde Formen flüchten, die er als Gewand anlegt, um das, was er selbst nur als „Allegorie“, als bedeutendes, aber nicht letztgültiges Abbild glaubt. Von hier aus allein ist sein seltsames Unterfangen zu verstehen, die gesellschaftlichen und sozialen Probleme der Gegenwart im Gleichnis spanischfeudaler und royalistischer Ideologie erfassen zu wollen. Im Vorwort zum Salzburger Großen Welttheater schreibt er — 1 9 2 2 — selbst über die tragenden Gleichnisse des Stücks — Weltbühne, Zuteilung der ständischen Rollen durch Gott, be! Calderon, seinem Vorbild: „Diese Bestandteile... eignen nicht dem großen katholischen Dichter als seine Erfindung, sondern gehören zu dem Schatz von Mythen und Allegorien, die das Mittelalter ausgeformt und den späteren Jahrhunderten Übermacht hat.“ Und hier stoßen wir auf den Grund der verwirrenden Konfusion, der falschen Ansatzpunkte dieses Spektakels. In einer heute unzulässigen Weise mengt der moderne Dichter die ewig christliche Glaubensidee von der Bestimmung jedes Menschenlebens durch die göttliche Vorsehung mit der Herrschaftsideologie spät-mittelalterlicher Feudalstände, die dem „Bauer, Bettler, Handelsmann in ihrem Ordo ewig statische Stellungen und Grenzen zuweist. Das triste Ergebnis dieser Mengung zeitpolitischer und religiöser Vorstellungen ist dann jener Scheinkonservativismus, jene falsche „christliche“ Restaurationspolitik, die, unfähig, die natürlichen Gesetze moderner Gesellschaftsentwicklung zu begreifen, in jedem Streik Aufruhr und Rebellion sieht und unter dem Motto „Schuster, bleib' bei deinen Leisten“, den besten Nährboden für alle jene Umstürze bereitet, die sie durch ihre falsche Appellation an „ewige Ordnungen verhindern will. Dem also gilt es, hei all unserer Hochschätzung und Verpflichtung für den Menschen Hofmannsthal, ins Gesicht zu sehen. Seine Allegorien „passen“ nicht. Ihr Wortprunk, ihr realistischer und symbolischer Glanz verdecken ein originäres Unvermögen, die wahre gesellschaftliche und die wahre religiöse Problematik der Zeit zu bewältigen.

Insel-Premiere. Somerset Maugham. „Der Brotverdiener“. Maugham, der Arzt, nimmt hier in einer flächigen Art das Anliegen Galsworthys, des Rechtsanwalts, wieder auf, in verschärfter Form. Das Panorama der Society wird hier nicht mit dem Pastell, sondern mit einem an Shaw geschulten Griffel gezeichnet. Es sind nicht mehr die kleinen und großen liebenswürdigen Schwächen und Eitelkeiten, sondern die Hohlheit, Blindheit und Egoismus einer oberen Gesellschaftsschicht Englands, die in dieser Mischung von Komödie und Tragödie zur Sprache kommen, nicht aber gemeistert werden. Das Thema klingt an Hauptmanns „Vor Sonnenuntergang an. Der Herr des Hauses, enttäuscht und verbittert über die Leere und Selbstsucht seiner Familie, verläßt, allein, da Haus, zieht sich zurück. Vielleicht zum Angeln, vielleicht zum Malen. Maugham überläßt es dem Publikum, den Schluß als Tragödie oder Travestie zu sehen. Flott gespielt, eine kurzweilige Ausführung.

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