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Kältewelle in den USA...

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St. Louis, Missouri, im Dezember 1950

Barometerstürze in den USA wirken von der Ferne immer alarmierend. Die wirklichen und die im übertragenen Sinne. Mit Ende November wurde es tatsächlich kalt, zumal in den verwöhnteren östlichen Staaten und im mittleren Westen. Dazu kam der Frost, der mit den Nachrichten aus Korea alle winterlichen Blütenträume vom Weihnachtsfrieden erstickte; ein empfindlicher, schmerzlicher Frost; er fand in jähen Stimmungsschwankungen seinen Ausdruck.

Das breite Publikum, in voller Sachlichkeit über alle wesentlichen Dinge informiert, nimmt keinen Anstand, die „Wenn“ und „Aber“ frei zu diskutieren. Originalberichte vom Kriegsschauplatz präsentieren und erörtern die Tatsachen. Nichts wird beschönigt. Blumige Umschreibungen von „Umgruppieren“, „Absetzen vom Feind“, „erfolgreicher, elastischer Taktik“ sind unbekannt.

Eiskalte Entschlossenheit und Berechnung dienen nicht nach unbewährtem Muster als rhetorischer Schreckeffekt; sie sind grimmige Wirklichkeit. Widersprechende Preßberichte mögen auf Gegenteiliges deuten. Dies sollte jedoch — nach allen Erfahrungen der Vergangenheit — niemanden täuschen. In der Tat mag jeder, der danach sucht, amerikanische Äußerungen finden, die er für sein besonderes Konzept gebrauchen kann. Daß jeder sagen und schreiben kann, was er will, besagt nicht, daß die, auf die es ankommt, nicht genauestens wissen, was sie müssen.

Daß sich Amerikanisch nicht wörtlich ins Europäische übersetzen läßt, nicht einmal ins britische Englisch, das wird auf beiden Seiten noch lange nicht genügend begriffen. Nicht nur amerikanische Denkungswefse und Tradition, auch die amerikanische Sprache ist eine für sich; seit dem 21. November 1620, gegründet für eine eigene Welt. Damals gaben sich die Pilgrimväter, verfolgte Puritaner aus England und Holland, die in Massachusetts landeten, an Bord der „Mayflower“ ihre erste Verfassung. Nach 150 Jahren fand diese Sprache ihren ersten souveränen politischen Ausdruck. Nach weiteren 150 Jahren wurde sie zu einem bestimmten Elempnt in einer neuen internationalen Ordnung. Nicht alles, was von den USA kommt, verträgt wörtliche Ubersetzung. „Eine Billion“, sagt der Amerikaner, und meint damit doch „nur“ eine Milliarde. 100 Grad Hitze auf Amerikanisch (Fahrenheit) bedeuten nur etwa 38 Grad Celsius auf dem europäischen Kontinent. Der 14.500 Fuß hohe Mount Whitney in Kalifornien ist immer noch niedriger als das 4482 Meter hohe Matterhorn. Aber wenn die Amerikaner — schweren Herzens — beschließen, im laufenden Budgetjahr 40 Milliarden Dollars in ihre Landesverteidigung zu investieren, praktisch ihre gesamte nationale Wirtschaft diesem Bedürfnis unterordnen, dann meinen sie genau, was sie sagen.

Es ist nicht einfach, die öffentliche Meinung in den USA zu ergründen. Die Tatsache, daß es auch in Kriegszeit nur freiwillige Zügel gibt, verleitet leicht zu irrigen Schlüssen.

An Wahlen beteiligen sich in aller Regel weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten. Wahlen besagen daher wenig, Kongreßdebatten noch weniger, Publikumsstimmen in der täglichen Presse schon gar nichts. Zumindest nicht mehr als ein Barometer im Augenblick seiner Befragung. Näher kommen der Wirklichkeit vorbereitete Erklärungen von oberster Stelle. Man hat in Washington die Hand ständig am Puls der Nation, zumal wenn Wahltermine im Anzug sind; dies heißt auf nationaler Basis zumindest alle zwei Jahre.

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