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Klaus Mann als Essayist

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PRÜFUNGEN. Schriften zur Literatur. Von Klaus Mann. Herausgegeben von Martin Gregor-D ellin. Nymphenburger Verlagshandlung, München. Z81 Seiten. DM 25.—.

Nachdem der Verlag verdienstvollerweise von Klaus Mann Romane, eine Erzählung, das Buch über Gide sowie Erinnerungen neu herausgebracht hat, war es nun an der Zeit, auch seine essayistisch-kritischen Arbeiten der literarisch interessierten Öffentlichkeit vorzulegen. Diese Richtung seines Schaffens war bis jetzt zuwenig bekannt. In dem neuen Band hat M. Gregor-Dellin Klaus Manns bereits gedruckte, aber auch noch unveröffentlichte Essays zur Literatur gesammelt. Erstere stammen zum Teil aus dem 1931 erschienenen Buch „Auf der Suche nach einem Weg“, die anderen aus Zeitungen und Zeitschriften des Exils, wie „Die Sammlung“, „Decision“, „Maß und Wert“, „Das Neue Tagebuch“. Ein für das nächste Jahr vorgesehener Band wird die Aufsätze mehr politischen Inhalts vereinigen. Im Nachwort hat der Herausgeber das Bild Klaus Manns, wie es sich im Laufe des Lebens gewandelt hat, gezeichnet: Zuerst der charmante, sensible, geistig immer bewegte Junge Mensch, „frühreif und mit einem Hang zur Dekadenz, früh angefeindet, aber ein Freund großer Zeitgenossen“ — dann der Emigrant, rastlos durch die Welt getrieben, „tapfer und umsichtig, ein euro-

päischer Literat“. Angehöriger einer, nach eigenen Worten „vielfältig gespaltenen Generation“, Erbe eines großen Namens und greift in einer Zeit, die von gegensätzlichen Strömungen, politischen und künstlerischen Extremen beherrscht war, wurde er im Zuge seiner geistigen Entwicklung zum sozial verantwortungsbewußten übernational denkenden Autor und kompromißlosen Streiter gegen den Faschismus. Bei allem politischen Engagement — ohne enge Parteibindung — blieb er aber stets ein durch und durch künstlerischer Mensch. „Er lebte in der Literatur und die Literatur lebte in ihm“, schreibt Hermann Kesten. Klaus Manns Aufsätze beschäftigen sich mit vielen Autoren, die ihm innerlich nahestanden: Mit Rene Crevel, Cocteau, Benn (den er später angriff), Gide, Giradoux, Julien Green, Stefan George (dem das nationalsozialistische Regime aus Propagandagründen eine Zeitlang huldigte) sowie Heinrich und Thomas Mann. Andere lehnte er scharf ab, wie Hamsun und Ernst Jünger, in denen er Repräsentanten des gefährlichen, zur Geistfeindlichkeit tendierenden Irrationalismus erkannte. Zwei Aufsätze beschäftigen sich mit der Wirkung Frankreichs und mit dem Expressionismus. Von manchen Einseitigkeiten des Blickpunkts abgesehen, zeigt sich Klaus Mann als vortrefflicher Essayist und kluger Beurteiler literarischer Werke, mit feinem Gespür für die Psychologie des Schöpferischen. Für die Erkenntnis seiner Geistigkeit ist dieser Sammelband gewiß wichtig. Wenn der Autor über den Selbstmord seines Freundes Hallgarten schreibt, dann ist dies im Hinblick auf sein eigenes Ende sehr aufschlußreich.

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