Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Orff auf Kroatisch
Vladimir Ruždjak, der bekannte Bariton der Hamiburgischen Staatsoper, gehört zu den intelligenten Sängern. Das bewies er jetzt einmal mehr in seiner Heimatstadt Zagreb (Agram), wo er im Nationaltheater einen Orff-Abend inszenierte. Beide aufgeführten Werke, „Die Kluge" und „Carmina burana", hatte er selbst in seine Muttersprache übersetzt, und er sang auch die Hauptpartien. Obwohl das Publikum zunächst etwas überrascht und unschlüssig schien, wurde es schließlich doch ein eindeutiger Erfolg. Und man darf wohl sagen, daß es der Erfolg eines klaren Konzepts war, das alle Mitwirkenden zu einer geschlossenen Leistung führte.
Mag die Übersetzung von Orffs Märchenoper nicht vieler erläuternder Worte bedürfen, so lag der Fall bei den „Carmina burana“ schwieriger. Diese weltlichen Lieder aus einer Benediktbeurener Handschrift des 13. Jahrhunderts sind teils lateinisch, teils mittelhochdeutsch geschrieben. So wurden sie von Orff vertont und auch in jugoslawischen Konzertsälen wiederholt aufgeführt. Ruždjak übernahm für seine Bühnenfassung den lateinischen Text, Text, konnte aber das Mittelhochdeutsche nicht durch eine genau entsprechende Sprache ersetzen, da es im südslawischen Bereich keine gibt. Er beschritt daher einen Weg, den der prominenteste lebende kroatische Dichter, Miroslav Krleža, bereits vor Jahrzehnten gebahnt hatte. Dessen „Balladen des Petrica Kerempuh“ sind auch in Jugoslawien nur Kennern zugänglich, die den so gut wie ausgestorbenen ländlichen „Kajkavski“-Dialekt verstehen, in dem die Balladen gedichtet sind. Diese von Krleža gleichsam wiederentdeckte Sprache hat also Ruždjak für seine Übertragung verwendet. Man sieht, dieser Säniger hat es sich nicht leicht gemacht.
Als Regisseur debütierte Ruždjak erst vor einigen Monaten in Zagreb mit Debussys „Pellėas und Mėli- sande“. Sein wichtigster Lehrer war Felsenstein, bei dessen Hamburger Inszenierungen er aufmerksam zugesehen hat. Für „Die Kluge“ fand er einen bewußt einfachen, mittelalterlich-märchenhaften Stil ohne historisierende Festlegung auf eine bestimmte Zeit oder Landschaft. Er selbst spielte einen netten, einfachen Märchenkönig, Mirką Klaric hatte als kluge Bauemtochter Charme und Witz und — besonders im Schlummerlied — eine zu Herzen gehende Innigkeit des Gefühls. Mit sicheren, niemals überzeichnenden Strichen waren die Individualitäten der komischen Figuren herausgearbeitet. Viele Details des Spiels waren der Musik intuitiv abgelauscht. Sparsamkeit — auch in der Ausstattung — wurde zur Tugend. Die „Carmina burana“ mochten dem kroatischen Publikum szenisch fremd und wenig „opem- haft“ erscheinen, waren aber vom Regisseur mit viel Verständnis für den Geist des Mittelalters arrangiert. Freilich verschob die slawische Klangfarbe des Ohores die Akzente etwas. Dennoch war gerade dieser Chor — mehr noch, als vom Komponisten gemeint — die „Hauptperson“. Er hat an Stimmvolumen und Präzision kaum seinesgleichen. Karajan holte ihn für seine Salzburger „Boris-Godunow“-Inszenierung im vorigen und in diesem Jahr. Nikša Barea, der 30 jährige Chef der Zagreber Oper, dirigierte dieses prachtvolle Ensemble mit ebensoviel Temperament wie Sinn für die Eigenart des Orffschen Musiktheaters.
Der Besucher Zagrebs war überrascht, Vladimir Ruždjak zwischen Generalprobe und Premiere des Orff-Abends auch noch als Solisten eines Kammerkonzerts der Zagreber
Solisten unter Leitung von Antonip Janigro zu begegnen. Aber man muß wissen, daß Ruždjak, anfangs nur Konzertsänger, gerade durch seine Reisen mit Janigros Ensemble international bekannt und daß die Beschäftigung mit vorklassischar Musik bei diesen Konzerten für ihn besonders fruchtbar wurde.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!