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Zweierlei Frühlingsfeier
Am vergangenen Mittwoch und Donnerstag gastierte im Großen Musikvereinssaal das während der letzten zehn Jahre berühmt gewordene NHK Symphony Orchestra Tokyo unter seinem ständigen Leiter Hiro-yuki Iwaki, Jahrgang 1932. „Der römische Karneval“ von Berlioz, als Zwischenspiel für die Oper „Benve-nuto Cellini“ 1843 nachkomponiert, brachte seinem Schöpfer viel Erfolg und erweist sich auch heute noch als echter Reißer. Das japanische Orchester, zum größten Teil aus jüngeren Musikern bestehend, die ein gewaltiges Reservoir an physischer Kraft und motorischer Energie besitzen, hat das Stück mit Rasanz vorgetragen. — Soljstin des Violinkonzertes von Jan Sibelius, das man wegen seiner auftrumpfenden Theatralik und Sentimentalität nur in großen Abständen ertragen kann, war die 30jährige Masuko Ushioda: eine kleine zarte Dame, der man soviel Kraft und Temperament kaum zutrauen würde. Sie schaffte all die halsbrecherischen Schwierigkeiten des Soloparts, blieb auch den Lyrismen kaum etwas schuldig — und ist trotzdem nicht der Typus „große glänzende Geigerin“ wie etwa Ginette Neveu oder Wanda Wilko-mirska.
So wurde Strawinskys „Sacre du printemps“, in großer Besetzung mit dynamischer Kraftentfaltung vorgetragen, zum Clou des Abends. — Am 10. September haben wir die Japaner uniter Iwaki im großen Saal des Pavillons von Montreux gehört — und alles klang ganz anders: nicht nur sehr präzise und energisch, sondern auch „maßvoll“. Jetzt war es fast ein anderes Stück. Denn Iwaki und seine Musiker haben die Akustik des Großen Musikvereinssaales unterschätzt und strapazierten durch übersteigerte Lautstärke ihre Hörer bis zum Äußersten. Das hätten sie spätestens nach dem ersten Konzert am Mittwoch bemerken müssen. Aber offenbar hat sie der Lärm nicht gestört. Und die Zugabe? Dieses Fünfminutenstück erwies sich als eine sehr effektvolle westöstliche Mischung in der Art etwa des „Säbeltanzes“ von Chatschaturian. (Man könnte es auch als „Butterflys späte Rache“ deuten.) — Doch, damit wir es nicht vergessen: Das NHK Tokyo ist ein ganz hervorragendes, hochdiszipliniertes, stets mit vollem Einsatz spielendes Ensemble, das nicht nur akustische Schockwirkungen zu produzieren, sondern auch Brahms zu spielen versteht, wie wir in Montreux feststellen konnten. Aber in Wien haben sie es nicht gewagt. Schade.
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Strawinskys geniales Jugendwerk „Petruschka“, für Diaghilews Truppe geschrieben und (von dieser 1911 uraufgeführt, eröffnete das erste ORF-Konzert im Orgelzyklus der Musikfreunde. Milan Horvat hatte die 35 Minuten dauernde revidierte Konzertfassung von 1942 gewählt und mit seinem Orchester eine respektable Aufführung zustande gebracht, nicht immer ganz präzise und in zwei Tänzen ein wenig zu eilig.
In den darauffolgenden „Carmina Burana“ aus dem Jahr 1937 von Carl Orff war er ganz in seinem Element. Übrigens ist diese Partitur ohne Strawinskys Werke der „russischen
Periode“ kaum vorstellbar. Besonders von den „Noces“ hat Orff sich anregen lassen (kleiner Doppelchor im III. Teil u. a.), und bald nach dem Krieg, als diese Anspielung nicht mehr gefährlich war, hat ein Kritiker für die „Carmina“ den Titel „Sakra, der Printemps“ vorgeschlagen, womit gleichzeitig auch auf das bajuwarische Element in der Musik Orffs hingewiesen wurde. Auch Kurt Weill hat Orff aufmerksam gehört. Doch es kommt immer darauf an, was einer aus solchen Anregungen macht, und Orffs Musik ist heute loch so lebendig wie am ersten Tag — und hat ihrerseits Schule gemacht ... Wir haben in den „Carmina“ schon größere Chöre als den ies ORF und sonorere Bässe gehört, manche Rhythmen schärfer, manche Begleitfiguren deutlicher. Aber nicht zuletzt dank der ausgezeichneten Solisten Arleen Auger (Sopran), Zeger Vandersteene (Tenor, auch Falsett-äänger) und Reid Bunger (Bariton) wurde es eine eindrucksvolle, mit langanhaltendem Beifall bedankte Aufführung.
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