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In dieser Woche

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erinnerten einige Wiener Tageszeitungen und der Oesterreichische Rundfunk an den 70. Geburtstag von Egon W e 11 e s z, der als Musikforscher und Komponist in Oxford lebt. In Wiener Konzertsälen war von dem Gefeierten allerdings nichts zu hören. Im großen Saal des Funkhauses spielten die Wiener Symphoniker unter Kurt Wöß eine Komposition aus der mittleren Zeit von Egon Wellesz: „Prosperos Beschwörung“, eine dreiteilige Suite nach Shakespeares „Stur m“, mit den Sätzen: Prospero, Ariels Gesang, Miranda und Ferdinand. Die feine und kultivierte Partitur spiegelt weniger den elementaren Bühnen-Shakespeare als die Impressionen eines gebildeten Lesers. Man sieht aus diesem Werk ferner, daß Wellesz, als er vor etwa zehn Jahren die Avantgarde verließ und sich der Vergangenheit zuwandte, keine Wendung von 180, sondern höchstens eine um 90 Grad zu vollziehen hatte.

Nach zwölf Jahren konzertierte Walter G i e s e-k i n g wieder in Wien. War diese Pause zu lang oder waren die Karten zu teuer: der Besuch ließ zu wünschen übrig. Auch der Referent hatte einige Mühe, sich aufs längst Bekannte, inzwischen Vergessene umzustellen. Die fast pedallos gespielte Mozart-Sonate klang wie eine Komposition von Lully oder Rameau. Dagegen erhielt Beethovens E-dur-Sonate Chopin- und Schumann-Farben, während Brahms und Schubert bereits impressionistisch schillerten. In vier Stücken von Debussy und drei virtuosen Klavierkompositionen Ravels behauptete Gieseking den ersten Rang als Interpret dieser Meister. Für seine Klangzauberspiele bevorzugt er einen Steinway-Flügel. Lang anhaltender Beifall.

In dieser Woche lernten wir auch eines der besten Streichquartette kennen: das aus Amerika kommende Juilliard-Quartett, das an zwei Abenden alle sechs Quartette von Bela B a r t o k spielte. Auf die Bedeutung dieser Werke, die im Gesamtopus Bartoks einen ähnlichen Rang einnehmen wie Beethovens Quartette in dessen Gesamtwerk, kann in diesem Rahmen nur verwiesen werden. Sie gehören gleichzeitig auch zum Sprödesten und Schwierigsten auf dem Gebiet nicht-atonaler Musik. Wenn trotzdem das Publikum nach jedem Werk minutenlang stürmisch applaudierte, so war das ein Zeichen für die großartige, mitreißende Interpretation. Was man bei den vier Künstlern (Mann. Koff, Hillyer und Adam) erlebte, war nicht mehr ein Ensemble- und Zusammenspiel, sondern gleichsam ein hexenhafter Zwang, unter den sie sich beugten. Es war der unerbittlich-strenge Kunstgeist Bartoks. der hier regierte und der wie kaltes Feuer immer wieder aus den Fugen herausschlug.

Den stärksten Eindruck der Woche empfingen wir von einer Aufführung der Hohen Messe in h-moll von J. S. Bach durch den Wiener Kammerchor und ein Ensemble der Symphoniker unter Hans Gillesberger. Dem Umstand, daß die ganz ausgezeichnete Einstudierung und die konzertante Darbietung der gleichen Hand anvertraut waren, schreiben wir unter anderem die so einheitliche und starke Wirkung zu. Diese ging diesmal ausnahmsweise mehr vom Werk als von den Interpreten aus, die alle erstklassig waren (Heiller am Orsrelnoifiv. Nebois an der Orsel. Judith Hedwig, Hilde Rössel-Majdan, Murray Dickie und Hans

Braun als Solisten). Kein aufdringlicher Star zwängte sich diesmal zwischen das größte Werk des Thomaskantors und die Zuhörer. Daher gilt unser Dank nicht nur den Leistungen, sondern auch der Bescheidenheit . aller beteiligten Künstler.

Am Abend davor — man muß schon einen guten Magen haben als Musikreferent — besuchten wir in der Volksoper „M adame Pompadour“, und sie hat uns nur stellenweise amüsiert, aber im ganzen nicht sehr gefreut. Hübsch und graziös an dieser Operette ist die Musik, weniger fein war die musikalische Leitung und gar nicht fein der unzweideutige Text. Hier werden dreierlei Gewürze gemischt: Pikanterien des 18. Jahrhunderts und Anzüglichkeiten der zwanziger Jahre (als Leon Fall „Madame Pompadour“ schrieb) mit „aktuellen Strophen“ der Wiener Bearbeiter. Daß in einer davon auch der neue Direktor des Hauses gerühmt wird, gehört wohl zu den Ungewöhnlichkeiten — sogar eines Operettenbetriebs. (Inszenierung: Alexander Pichler, musikalische Leitung: Anton Paulik, Bühnenbilder — das Beste daran —: Walter Hoeßlin, in der Titelrolle — Zweitbeste! —: Erika Jelinek.)

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