6599629-1953_29_07.jpg
Digital In Arbeit

Ruf und Echo

Werbung
Werbung
Werbung

Dem posthum erschienenen Band (die Verfasserin starb am 10. August 1948 im Tessin) scheint das 1931 verfaßte Bekenntnisbuch „Hugo Balls Weg zu Gott“ zugrunde zu liegen. Der Ueberblick ist aber umfassender geworden, die oft fast wörtlich übernommenen biographischen und autobiographischen Stellen stehen in größeren Zusammenhängen, die Seinsdimensionen erscheinen vertiefter erfaßt und dargestellt, so daß man mit Recht von einem neuen Werk sprechen kann.

Emmy Hennings wurde 1885 als Kind einer deutsch-dänischen Seemannsfamilie geboren. Als Schauspielerin führte sie in .Berlin und München ein ziemlich bewegtes Leben. 1914 lernte sie den Kulturkritiker Ball kennen. Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges emigrierte sie aus weltanschaulichen Gründen mit Hugo Ball nach Zürich. In dem „dadaistischen“ Cabaret Voltaire trat sie gemeinsam mit ihm auf.

Die Autorin erzählt Hugo Balls Leben und ihre Ehe mit ihm und umschreibt gleichzeitig das ihre. Rückblendend beginnt sie mit Balls Kindheit. Nach Absolvierung des Gymnasiums wurde Ball Lehrling in einer Lederfabrik und kam erst mit 21 Jahren an die Universität München. Aber schon als Siebzehnjähriger verfaßte er bühnentaugliche Dramen. Statt seine philosophischen Studien mit einer geplanten Dissertation über Nietzsche abzuschließen, trat er in die Schauspielschule Reinhardts ein. Er glaubte damals, daß allein das Theater die neue Gesellschaft formen könne. Bei Kriegsausbruch 1914 hatte er bereits einen Namen als Regisseur in Deutschland. In der Schweiz begann ein materiell dürftiges und bedrängtes Leben. In Zürich gehörte er mit Arp, Hülsenbeck und Tzara zu den führenden Dadaisten: „Dada ist ein Spiel mit den. schäbigen Ueber-bleibseln; eine Hinrichtung der posierten Mora-ität und Fülle“. 1915 erschien bei Rowohlt das Drama: „Die Nase des Michelangelo“. 1918 der

Roman „Flamingo“. In den Jahren 1917 bis 1919 entsteht: „Zur Kritik der deutschen Intelligenz“. Die sehr bearbeiteten Tagebücher aus den Jahren 1914 bis 1924 erschienen unter dem Titel „Die Flucht aus der Zeit“. Von 1920 an wird der geistig-weltanschauliche Prozeß immer konkreter, der Hugo Ball vom Rebellen zum Bekenner wandelte. Von 1921 bis 1924 schreibt er an dem Buch: ,,Das byzantinische Christentum“. An die Heiligenleben soll ein neuer Heldenbegriff gestiftet werden. Der bekannte Jesuit Przywara bemerkt: „Es ist etwas

Großes darum, wie Hugo Ball die ganze eherne Strenge ägyptischer und syrischer Mönchsaskese vor uns neu erstehen läßt“. In dieser Zeit erschien auch die umgearbeitete „Kritik der deutschen Intelligenz“ unter dem Titel „Die Folgen der Reformation“. In diesem viel diskutierten Buch hat Ball die Wege vorausgesehen, die zum Nationalsozialismus führen sollten. In einer zum fünfzigsten Geburtstag Hesses erschienenen Biographie des Dichters schildert er diesen als den „Anwalt der Seele in ihrer reinsten Sehnsucht“. — Mit Liebe und tiefem Einfühlungsvermögen berichtet endlich die Autorin über die letzten Arbeiten und literarischen Pläne ihres Gatten, über seine „Impulse“ und weltanschaulichen Grundhaltungen (die Psychoanalyse spielte dabei eine erhebliche Rolle) und schließlich über seine Krankheit und seinen Tod (1927). — Zu den wichtigsten Impulsen Balls gehörte es, daß er vor allem die Indifferenz, die Lauheit seiner Zeitgenossen konstatierte. Im Christentum erkannte er die ord-pende Macht des Lebens und in der katholischen Kirche jene Institution, die allein den destruk-

tiven Mächten Widerstand bietet und durch ihren souveränen Lebenswillen den erstickenden Relativismus bezwingt.

Emmy Ball-Hennings hat sich offenbar die Weltanschauung ihres Gatten zu eigen gemacht. Ihr Buch mit seiner Aufrichtigkeit und seinem Erlebnisgehalt kann allen geistesgeschichtlich und religiös interessierten Lesern empfohlen werden. Diplombibliothekar Franz Ser. Vetter

Das Fremdwort und der deutsche Geist. Von Heinrich J. Rechtmann. Glock und Lutz, 1953, 229 Seiten. Preis 7.50 DM.

Ein verlockender Buchtitel und gar der Untertitel („Zur Kritik des völkischen Purismus“) erweckt die Hoffnung auf eine Arbeit, die nicht nur den Gebrauch und den Mißbrauch des Fremdwortes betrachtet und erläutert, sondern auch seine grundsätzliche Ablehnung durch puristische Experten und ihren Kreis von Anhängern. Tatsächlich wird in dem Buch der Versuch unternommen, so zu verfahren, leider aber mit untauglichen Mitteln.

Der Autor schreibt ein dürftiges Deutsch, in dem es von Stilblüten, sinnlosen Schablonen und offenbaren Mängeln wimmelt, und so jemand ist natürlich nicht in der Lage, die Feinheiten eines Sprachproblems stilistisch zu bewältigen. Es beginnt schon damit, daß der Autor stets die ungenaue Mehrzahlform „Fremdworte“ gebraucht, außer bei Zusammensetzungen, wie „Fremdwörterverdeutschung“, „Fremdwörterbuch“ und so weiter, ohne daß ihm d'ese Unterschiedlichkeit auffiele. Er schlägt sich heute noch allen Ernstes mit den wilden Ausfällen des Puristen Eduard Engel herum, die vor 30 bis 40 Jahren für völkische Heißsporne aktuell, aber nicht einmal 1933 mehr verwendbar waren, als das Nationale sonst überall vorherrschend wurde. Wenn man dieses Buch liest, könnte man meinen, die Puristen seien eine mächtige und gefährliche Kolonne, die jedem Fremdwort, das ihnen unterkömmt, den Garaus macht; in Wahrheit sind es ein paar Sonderlinge, harmlos wie Windmühlen, und doch nicht so komisch wie einer, der geharnischt gegen sie loszieht: „Afterpsychologie der Puristen“, „Greifer der polternden Sittenrichter“, „die souveränen Sprachpäpste“, „moralisch empörte Eiferer“, „der freche Vorwurf der Puristen“ und ähnliche verbale Aggressionen zeigen an, daß da ein Verteidiger des Fremdwortes in denselben Fehler des Fanatismus verfallen ist, den sonst die Puristen begehen. Rechtmann ist also ein Antipurist, einer, der es in der anderen Richtung genau so falsch macht wie die Puristen in der ihren, der uns eine übertriebene „Höherbewertung“ des Fremdwortes einreden will und es schließlich sogar als sakrosankt

erklärt, indem er behauptet, „das Fremde steht dem Heiligen so nahe“, kurzum ein Romantiker, der gar nicht ahnt, wie unzeitgemäß seine Streitschrift selbst dann wäre, wenn die Argumentation stimmte. EJwin H a r 11

Joseph Görres und die abendländliche Kultur. Von Robert S a i t s c h i c k. Verlag Otto Walter AG, Ölten und Freiburg im Breisgau. 221 Seiten. Preis 10.90 sfr.

R. Saitschick, der bekannte Kulturphilösoph, früher Univ.-Frofessor in Köln, heute am Zürchersee ansässig, legt in seiner gedrungenen Görres-Mono-graphie ein Buch vor, wie es gerade heute aus mehrfachen Gründen dringend benötigt wild. Das beigeschlossene Werkverzeichnis weist kein einziges modernes Werk über Görres aus. Schade, daß Saitschick hier nicht die Arbeiten von Alois Dempf über Görres anführt, denn gerade Dempf hat wiederholt seine Stimme erhoben, um die überragende Bedeutung von Görres dem heutigen Publikum klarzumachen. (Die Liste „Werke von Görres“ ist unvollständig und umfaßt nur die hauptsächlichsten Werke.) Die Grundabsicht des Werkes liegt in dem Gedanken, daß Görres ein politisches Konzept hatte, das, verdrängt durch den Nationalismus des 19. Jahrhunderts Bismarckscher Prägung, im Namen der „abendländischen Kultur“ die Ideologie eines „anderen Deutschland“ darstelle. Görres, Constantin Frantz und die innere Opposition gegen das neue Deutsche Reich nach 1871 sind eine Einheit, die gerade heute wieder hochaktuell geworden ist. Dempf hat sich in seinem temperamentvollen Görres-Vortrag in der Wiener katholischen Akademie im gleichen Sinne ausgesprochen. Es macht das für das Denken von Görres Bezeichnende aus, daß er den Organismusgedanken der deutschen Bewegung seit Hamann und Herder auf den Staat angewandt hat. Eine Verfassung müsse das spontane, organische Ergebnis des Volkgeistes sein. Synthese der gesellschaftlichen Gegensätze im Namen des Lebendigen war ein Grundgedanke bei Görres. Konservativismus wie Radikalismus seien gleicherweise einseitig und dem Leben abgewandt. Fragt man sich, worin für uns heute die Bedeutung von Görres besteht, dann ist es gerade der Kulturkritiker des modernen Geistes in allen seinen Ausformungen, der heute von größter Bedeutung ist. Görres hat kaum eine Möglichkeit des neuen Geistes unbeachtet gelassen. Was immer man heute von Seiten einer Kulturkritik vorgetragen bekommt, es hat schon bei Görres seine Wurzel. Görres hat als erster den engen Zusammenhang von Radikalismus und despotischem Cäsarismus durchschaut und beider Lebensfeindschaft klar herausgestellt. Was wäre heute bedeutsamer? Die katholische Kirche war Görres der Hüter organischen Lebens, des Wahren und Echten im Leben des Volkes. Saitschick hat diese Grundgedanken des großen Kulturkritikers übersichtlich herausgestellt und in klarer Sprache begreiflich gemacht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung