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Sultane und Werkstudenten

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Suleiman der Prächtige, der „Großtürke", Eroberer von Belgrad, Ofen und Rhodos, eine der bestimmenden Persönlichkeiten des sechzehnten Jahrhunderts, steht in einer Reihe mit Karl V. — staatsmännisch und militärisch hoch über Franz I. und Heinrich VIII. Weit gesteckte Pläne des Kaisers sind an der politischen Gegenwirkung, an der Schlagkraft von Suleimans Flotten und Heeren gescheitert. Eine Persönlichkeit von solcher eigenständigen Kraft, Herr eines Imperiums, das von der spanisch-afrikanischen Gegenküste bis an die Grenzen der österreichischen Erblande reichte, hineingestellt in die Spannungen zwischen altererbtem Kriegsnomadentum und zeitgenössischer europäischer Bildung, war ein lohnendes Objekt in unserem biographiehungrigen Zeitalter. Zum Glück lag es geographisch etwas abseits — ausgetretene Pfade lockten. So mußten der gute „Herzog Johann", Prinz Eugen, der Schubert-Franzi, Maria Theresia und die Kaiserin Elisabeth daran glauben… Der Amerikaner Harold Lamb hatte die Feder und den Mut, und er hat seine Wahl nicht zu bereuen: Es ist ein höchst lesenswertes, farbiges und historisch interessantes Lebensbild daraus geworden.

Der pensionierte Jüngling. Roman von Kurt E i g 1. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien. 438 S.

Es ist bezeichnend, daß ein Vertreter der jüngeren Generation mit seinem ersten Roman den Weg zurück in eine beschauliche Spitzweg-Atmosphäre findet. „Der pensionierte Jüngling", das liebenswürdige Buch eines Mannes, der im Wiener Kulturleben bereits eine feste Position einnimmt, kann mit seinen zarten Aquarellfarben nicht als laute Kampfansage gelten. Und doch wirbt es deutlich für eine Umkehr zum stillen Genuß des guten Alltags. Kurt Eigl, aufgewachsen in einer Zeit aller denkbaren Härte, verschweigt bewußt Angst, Lärm und Nöte. Vielleicht hat er mit dieser Grundhaltung recht. Wir dürfen gegenüber den Schrecken nicht blind sein, gewiß nicht, aber tftr helfen, sie selbst und die Erinnerung an sie zu überwinden, wenn wir einmal versuchen, sie nicht zu sehen.

Der in dem brillanten Titel des Buches bezeichnete Stadtrat a. D. Richard Welisch zieht sich nach Podlingbrunn zurück, in das Dorf seiner Kindheit und Jugend, er ist nicht verbittert und nicht Vom Leben enttäuscht, er will jmr eben „seinen großen, bis an sein Lebensende währenden Urlaub" antreten.

Aber auch die kleine Welt, in die er vor dem starken Impuls der Großstadt geflohen ist, hat ihre verwickelten Probleme. Welisch sucht sie auf eine besonders eigenwillige Art zu lösen, er überredet die Dorfgemeinschaft zu Serienaufführungen von — „Hamlet". Eine unausgesprochene Kritik der Festspielmanie. Wieder und wieder geraten Stadt und Dorf aneinander, aber auch hier zeigt sich der Dichter als Verfechter des Geruhsamen und Liebenswürdigen. Daß der alte Junggeselle schließlich durch die Heirat mit seiner verwitweten Jugendfreundin und durch die Adoption zweier verlassener Kinder zum Gründer einer Familie wird, liegt ganz auf der Linie von Eigls Humor.

Wer keine Zeit hat, darf dieses Buch nicht lesen. Es ist für Menschen geschrieben, die sich’ nicht von vornherein gegen ihresgleichen mit argwöhnischer Abwehr wappnen, für Menschen schließlich, die vertrauensvoll einem weltklugen, fröhlichen und einem — im ursprünglichen Sinne des Wortes — gemütlichen Erzähler zuhören können.

Berufene und Verstoßene. Roman von Franz Karl F r a n c h y. Verlag Kremayr und Scheriau, Wien. 317 Seiten.

An dem Beispiel einer tapferen Schar von Werkstudenten, die sich in der ungesunden Luft des unmittelbaren Nachkrieges, mit allen seinen hektisch krankhaften Erscheinungen, durchschlagen müssen und ihre großen Niederlagen vor anderen erleiden und ihre kleinen Siege über sich selbst erringen, stellt der Autor die ganze Tragik des geistigen Arbeiters unserer Zeit dar. Er erweckt das Einzelschicksal zu dem, was es ist oder zumindest zu werden droht: das große Aergernis des 20. Jahrhunderts; der deklassierte Intellektuelle in der ganzen Schmach einer Situation zwischen Selbstaufgabe und Selbsterniedrigung. Ein erschütterndes, aber auch aufrüttelndes Buch von hoher dichterischer Intensität.

Es muß jedoch auch auf gewagte Maximen hingewiesen werden. Wenn z. B. ein Werkstudent und ehemaliger Offizier zu einem alten Mann, der seinen einzigen Sohn im Krieg verloren hat, sagt: „Der Gehorsam hat den Befehl nicht zu richten, nicht einmal zu prüfen. Er selbst ist Sinn …", so scheint hiermit eine moralische Verabsolutierung des Befehls angedeutet, die angesichts dessen, was im Namen des Gehorsams gerade in unserem Jahrhundert angerichtet wurde, bedenklich stimmt. Nicht der Gehorsam ist die letzte Berufungsinstanz, sondern die persönliche Verantwortung und das Gewissen.

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