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Von Brecht bis Habeck

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Erste Stücke. Von Bertolt Brecht. 1. Band: Baal, Trommeln in der Nacht, Im Dickicht der Städte. 302 Seiten. — 2. Band: Das Leben

Eduards II. von England (nach Marlowe), Mann ist Mann. 325 Seiten. Suhrkamp-Verlag.

Diese 1922 bis 1926 entstandenen Stücke bilden zusammen mit der „Hauspostille" Brechts Frühwerk. Am stärksten ist in „Baal" jene dramatische und dichterische Urkraft spürbar, die Hofmannsthal meinte, als er in einem Theatergespräch über Brecht sagen läßt, hier sei „der Durchbruch ins Unbedingte, Neue, Elementare" und „Der Mensch von heute geht durch alles durch, er saugt alles Lebendige in sich, um schließlich zur Erde zurückzukehren". Das ist die eine Seite Brechts. Die andere, typischere, wendet er uns schon in der gleichfalls 1924 entstandenen dramatischen Historie vom friedlichen Packer Galy Gay zu, der auszog, einen Fisch zu kaufen, unter die Soldaten der nach Tibet marschierenden englischen Kolonialtruppe gerat und zum „Helden" umgearbeitet wird. Denn „Mann ist Mann", es kommt nicht darauf an. Man kann aus jedem alles machen. Das wird kühl und leidenschaftslos, aber mit bohrender Dialektik dargelegt. Im gleichen Stück, und in anderen stärker, klingen immer wieder auch andere Töne herein, dumpfschöpferische, die von einem verirrten Lebensgefühl zeugen, das man nicht als „Proleta- rietromantik" abtun möge und das sich in einem merkwürdigen Gegensaitz 2u der pedantischeigensinnigen Menschenveränderung befindet, um die Brecht bemüht ist. Am echtesten wirkt Brecht immer dort, wo er mit zynischer Freude einen Konstruktionsfehler im sozialen Mechanismus der „besten aller Welten" aufdecken kann. Gerade hier aber wird er in einem ganz bestimmten Sinn zum „Moralisten".

Dr. Helmut A. Fiechtner

Das Buch des Joachim von Babylon. Roman. Von Marnix G i j s e n. Scbwingen-Verlag, Kuf- stein-Wien-Rosenheim. 149 Seiten.

Ein vielleicht nicht ganz einwandfreies, sonderbarerweise aber gerade darum köstliches Buch. Die Geschichte der berühmten, biblischen Susanne wird, sehr frei nach Daniel, vom Standpunkt des verwitweten Gatten aus erzählt. Der Name des Autors ist ein Pseudonym, hinter dem sich ein belgischer Diplomat verbirgt. Weltmännisch und welterfahren ist auch der Geist, in welchem das Buch geschrieben ist, skeptisch, niemals zynisch.

scharfblickend gegen die anderen und gegen sich. Denn es ist ja so dargestellt, als ob Joachim es verfaßt hätte. Bemerkenswert ist auch die Brillanz der Diktion, die selbst in der Uebersetzung noch spürbar bleibt und daher persönlich anspricht. Auch die Aufmachung ist adrett, die aparte Druckanordnung der Kapitelanfänge passend und geschmackvoll.

Die Saat des Meeres. Roman. Von Lorenz Mack. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien. 184 Seiten.

Der junge Erzähler Lorenz Mack scheint eine Vorliebe für die Beschreibung von Ortschaften zu haben, denen zivilisatorische Einrichtungen, wie sie andernorts längst üblich geworden sind noch fremd blieben. Beschrieb der Roman „Das gottlose Dorf" eine Siedlung in Kärnten und wie es dort zugeht, nachdem ein Bäcker, ein Pfarrer und endlich eine Wirtin zu wirken beginnen, so wird uns in dem vorliegenden Roman eine kleine Insel unweit der Küste vorgeführt, die zwar eine Kirche, aber weder einen Pfarrer hat (und auch keinen kriegt) noch eine Schule oder einen Lehrer. Da entschließt sich die Regierung, eine junge Lehrerin zu schicken, auf daß sie dort das Schulwesen einrichte, und bald darauf wird außerdem ein Ingenieur mit Arbeitern hinentsandt, die elektrischen Strom übers Meer leiten sollen. Ueber all das sind die Inselbewohner recht ungehalten. Kleine Tragödien bahnen sich an, weil ein schöner Kirschbaum und ein unschöner Ziegenstall dran glauben müssen, um der Stromleitung Platz zu machen. Nachdem sich aber herausgestellt hat. daß die Lehrerin von einer einst auf und davon gegangenen Insulanerin abstammt (was bis dahin nur der Leser ahnte), kommen die wackeren Leute drauf, daß Lesen- und Schreibenlernen nicht wehtut und daß man Kirschbaum und Ziegenstall zwei Meter daneben von neuem pflanzen oder aufbauen kann, zumal ja der Schaden in Talern gutgemacht wurde. Das neue Buch ist besser geschrieben als das oben erwähnte, gehört jedoch stilistisch und thematisch der literarischen Vorvergangenheit an.

Edwin Hartl

Das zerbrochene Dreieck. Von Fritz Habe c k. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien. 320 Seiten. Preis 66 S.

In diesem Roman, der im Wien der unmittelbaren Nachkriegszeit spielt, begegnen wir wieder dem Dr. Richard Milstrey, dessen Bekanntschaft uns Habeck in seinem spannenden Buch „Das Boot kommt um Mitternacht" vermittelt hat. Leider, muß man sagen, begegnen wir ihm wieder, denn der Mann hat sich sehr zu seinem Nachteil verändert. Von der aufrechten Gesinnung, in der er, als Oesterreicher zu Hitlers Wehrmacht eingezogen. Recht und Freiheit höher stellte als die ihm ufgezwungene Dienstvetpflichtung, ist bei dem nun als Winkeladvokat tätigen ehemaligen Offizier nichts zu bemerken. Er betreibt die dunkelsten Geschäfte und versinkt in einem moralisch verkommenen Milieu, in einem Schlamm, aus dem auch nicht eine integre oder doch halbwegs sympathische Gestalt hervorragt. Seinerzeit haben manche an Carol Reeds Meisterwerk „Der dritte Mann" Anstoß genommen und behauptet, der Film gebe ein böswillig verzerrtes Bild der damaligen Zustände und verunglimpfe die Wiener Bevölkerung. Mit weit größerer Berechtigung könnte ein solcher Vorwurf gegen „Das zerbrochene Dreieck" erhoben werden. Womit nicht geleugnet werden soll, daß auch in diesem unerfreulichen Buch die dramatische Begabung des Autors und die Gestaltungskraft seiner Sprache unvermindert zur Geltung kommen.

Kurt Strachwitz

Das Prantnerhaus. Roman. Von Friedrich W a I- lisch. Eduard Wancura Verlag, Wien-Stuttgart. Mit einer Stammtafel der Familie Prantner-Diet- mayr. 480 Seiten. Preis 72 S.

Zwei Geschlechter mit Namen Prantner scheinen in Oesterreichs Annalen auf. Die Prantner (Prandt- ner) zu Prandthof, begütert in Niederösterreich and Oberösterreich, erstmals bezeugt am 25. Oktober 1281, geadelt seit 1574 mit Adelsbrief vom 4. November 1596. (Zwei schräge schwarze Brände auf Goldgrund.) Die anderen Prantner aber lebten in Dörnbach und Wien, um schließlich in der berühmten Gelehrtenfamilie der Dietmayr aufzugehen. Ein Name, den die Wiener medizinische Schul wohl kennt. Ein Teil ihrer Geschichte nun, Prantner ab 1750 bis Dietmayr von heute, liegt hier vor. Diese zweite Familie der Prantner war überschattet von dem unheilvollen Dunkel, das in den Lebenskreis all jener einbrach, die ihr Deutschtum zu intensiv über die Westgtenzen der Monarchie blicken ließ. Europäisches Denken moderner Art lag diesen Menschen ferne.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß di Prantner der Kaisermetropole manch geschätzten Rechtsgelehrten schenkten. Einer von ihnen, Bartholomäus Prantner, hatte zur Zeit Rudolfs II. die Würde eines Bürgermeisters der Stadt Wien bekleidet. Und ihre Geschichte ist verquickt mit dem Dasein der großen Musiker und Dichter, der Staatsmänner und Schauspieler Wiens. Aber letztlich ist die Geschichte der Prantner nicht die Geschichte Oesterreichs, besser gesagt die Schicksale der Prantner-Dietmayr sind eben höchst individuelle Existenzen.

Eine bescheidene Anregung: Wäre der buntscheckige, kitschige Umschlag nicht durch eine geschmackvolle, einfache Graphik zu ersetzen?

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