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VON NEUEN BÜCHERN

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In dem Buch von Robert Boehringer .Mein Bild von Stefan George. Text 238 Selten, Tafeln 175 Seltern, Bei Helmut Küpper, vormals Georg Bondi, München und Düsseldorf

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In dem Buch von Robert Boehringer .Mein Bild von Stefan George. Text 238 Selten, Tafeln 175 Seltern, Bei Helmut Küpper, vormals Georg Bondi, München und Düsseldorf

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Da bekannte offizielle George-Buch von Friedrich Wolters au6 dem Jahre 1930 führt den Untertitel .Deutsche Geiste6gesdiichte eit 1930“. Das ist zwar eine jener stolzen apodiktischen Übertreibungen, wie man sie von dieser Seite gewohnt ist-, aber die deutsche Geistesgeschichte wurde immerhin durch den George-Kreis wesentlich mitgeformt. Diesen Beitrag einmal sachlich dairustellen, wäre eine dringliche und durchaus lösbare Aufgabe für die moderne Kulturgeschichte. Hingegen werden wir auf das objektive George-Bild, die sine ira et studio geschriebene George-Monographie, nach wie vor warten müssen. Und ich fürchte, wir werden noch lange vergeblich warten: denn die aus dem Kreis kommen, reden im Tempelton, und die Außenstehenden wissen zu wenig.

Robert Boehringer, Verfasser der Bild- Büdier über Platon und Homer sowie Herausgeber des Briefwechsels Hofmannsthal — George, hat bereits unter dem Titel Ewiger Augenblick, Erinnerungen an und Gespräche mit Stefan George aufgezeichnet und kommt aus dem engeren Kreis. Was er mitzuteilen hat, ist von größtem Interessei w i e er es tut, läßt oft das Fragwürdige des Gegenstandes vergessen. Zum Textteil des Buches haben viele Freunde, ältere und allerjüngste, durch Erinnerungen, Aufzeichnungen und Briefe beigetragen. Der zweite Teil umfaßt über 250 Bilder auf 175 Tafeln und stellt die erste umfassende Sammlung von Bildern George und derer, die um ihn waren, dar. (Bisher kannte man nur die wenigen Tafeln bei Wolters in dem Kapitei Das Bildnis' und die zwölf schönen Reproduktionen in dem Erinp - rungsbuch der Sabine Lepsius.)

Unmöglich, im Rahmen einer gedrängten Besprechung eine Beschreibung auch nur der eindrucksvollsten zu gehen; unmöglich auch, auf Details des Textteiles einzugehen. Erinnern wir nur an einige Namen aus dem Kreis, die in den Erinnerungen Boehringers eine Rolle spielen: Saint-Paul, Mallarmė, Rolicz-Lieder, C. A. Klein, Andrian, Francken- stein, Hofmannsthal, Gėrardy, Vollmöller, Verwey, Cyrill Scott, Meichior Lechter, die Ehepaare Lepsius und Wolfskehl, Ludwig Klage und Alfred Schuler, Derleth, Gundolf, Woltere, Vallentin, Paul Thiersch, Ernst Mor- witz, Hans Brasch, Thormaehlen, Wenghöfer, Kantorowicz, Treuge, Glöckner, die Brüder Stauüfenberg… (Die sechs Frauen, die auftauchen, spielen kaum eine Rolle und sind Randfiguren.)

Ihnen allen wurde das persönliche Verhältnis zu George, ihre Stellung im Kreis, zum Schicksal. .Von Geburt an umwitterte ihn eine dramatische Luft, und wer in diesen Luftkreis eintrat, erfuhr 6eine Wirkung: daß der tragische Mensch tragisch erlebt, was ihm be- gegnete, und daß die Begegnung oft auch für den anderen, durch solchen Umgang Gesteigerten, tragisch verläuft. Blättert man die Bilder der Menschen durch, schreibt Boehringer, die ihm befreundet waren: mit dem ist es zum Bruch gekommen, der ging in den Tod, dieser ist gefallen, jener ging ins Exil. Gewiß, es war die Zeit der Kriege und der Verfolgungen! aber in dieser Zeit lebte er sein Leben, und wenn 6ich Schicksale erst nach einem Tode erfüllt haben, so doch manchmal auch dann noch getrieben von seinem Hauch. Das klingt schon anders als Gundolfs überspitzte Behauptung: Wer aber das Zeichen erkannt hat, unter dem er kommt, muß ihn vernichten oder ihm verfallen, muß Feind oder Folger sein. Schaut man sich daraufhin die .Dichtertafel au6 der 7. Folge der Blätter für die Kunst an, so muß man feststellen: Nur wenige von den dort abgebildeten Zwölf sind ihrem Meister treugeblieben, und nur zw i oder drei konnten sich als Dichter behaupten, Die Trennung vollzog sich bei einigen unter Blitz und Donner, andere entfremdeten ich ihm allmählich, lebten ihr eigenes Leben weiter — oder versanken …

Wie konnte es auch anders sein. Schon das Zurückdrängen de reinen Gedichts m den Blättern für die Kunst zugunsten jener Gebilde, denen .Aufhöhung, Ethos, Pathos, Ritual und Magie ru Hilfe kommen mußten, erregte Widerspruch. Und vor der letzten Konsequenz, vor der Lehre von der Verleihung de Gottes und Vergottung des Leibe schreckten viele zurück. Die peinliche Maximin-Idolatrie wird von Boehringer nur flüchtig angedeutet. Aber gerade jene frevelhafte Erhebung eines jungen Menschen zum Idol iet bezeichnend für Georges Künstler- und Menschentum. Man muß da6 bei Wolters nachlesen, der Georges Bericht über Maximin wifedergibt und wo es (S. 313 ff.) unter anderem heißt: .Das ganze Getriebe unserer

Gedanken und Handlungen erfuhr eine Verschiebung, seitdem dieser wahrhaft Göttliche in unseren Kreis getreten war. Hier sind die Grenzen auch für den verständniswilligsten Betrachter. Und bei allem Gefallen an so viel körperlicher Wohlgeschaffenhe't, wie sie diese einzigartige Bildwerk darbietet, empfindet man das Hervortreten immer jüngerer Männer, hinter denen die älteren Freunde allmählich fast ganz verschwinden, als peinlich. …. er war und blieb bis ans Ende Liebhaber, Liebhaber gebildeter und ephebenhafter Jünglinge und Liebhaber des Fügens schwieriger Veree und sauberer Reime, die unter anderem bestimmt ind, jene Jünglinge zur Nachahmung der eigenen Liebhaberei anzuleiten. (Klages in der Einführung zu Schulers Nachlaß.) Zum erstenmal werden bei Boehringer auch Bilder von dem berühmten antiken Fest und dem Didrterzug gezeigt. Sie sind fast die einzigen, die dem kritischen Auge des heutigen Betrachters nicht mehr staadhalten, während In den übrigen der Adel des Geistes über die vergängliche Zeit und die sich wandelnde Mode triumphiert.

Wir sind nicht der Meinung, daß das Wirken Georges, nach dem Wort eine späteren Gegners, vornehmlich Litera tu rpolitrk gewesen ist und daß er durch 6eine Persönlichkeit mehr gewirkt habe als durdi sein dichterisches Werk — das bei allen weltanschaulichen Vorbehalten, die zu machen sind, Eigenwert be sitzt und in der deutschen Dichtung unverwischbare Spuren hinterlaasen hat. Doch ist daneben hervorzuheben, daß au dem George- Kreis auch .Täter“ hervorgegangen sind. Die Verehrung der .Swastika (Sonnenrad, später Hakenkreuz), dec Blutmythus eines Schüler und Klages sowie der moderne Heroenkult haben hier ihre Wurzeln. Andererseits hat der Attentäter des 20. Juli 1944 samt 6 einen Brüdern zum George- Kreis gehört: Claus Graf Stauffenberg war es, der in der Kapelle von Minusio in der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 1933 an der Bahre Stefan George die Totenwache hielt. „Bertihold, der älteste von den drei Brüdern Stauffenberg“, schreibt Boehringer, „hatte eine vornehme Gelassenheit. Sein ruhiges Urteil hat ihn nicht gehindert, mit dem jüngeren Bruder in den Tod zu gehen. Ihn hatte George als Nacherben bestimmt, und er selbst hatte, als Frank (der junge Bildhauer Victor Frank, der während der drei letzten Winter mit George in Molino dell'Orso bei Locarno war) gefallen war, vorgesehen, daß Claus ihm nach- folgen solle. Da sie sich selbst zum Opfer brachten, haben sie für de Dichters Erbe das Größte getan.“

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