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Wie er es hatte machen sollen

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Das in New York in beneidenswerter Ausstattung monatlich erscheinende „Magazin für allgemeine Literatur und Wissenschaften“: „The Catholic World“ gibt eine Antwort auf die stark parteipolitisch abgestimmten Wertungen amerikanischer Kritiker für die Persönlichkeit und das Wirken Dr. v. Schuschniggs als Staatsmann. Mit einem erfrischenden Sarkasmus, der auch in Österreich gekostet zu werden verdient, sagt die amerikanische Replik:

„Einer der Kritiker nennt Schuschnigg einen .guten, unbeholfenen Menschen'. Im rein weltlichen und praktischen Sinn war er auch wirklich-kein--mit allen Sarben geriebener Mann. Ein geriebener Politiker wäre ganz bequem in die Schweiz und von dort nach London geflohen. Nach seiner Ankunft in London hätte er sich ganz ruhig verhalten und nur ab und zu einige harmlose Artikel mit einem Loblied auf die Demokratie, die Magna Charta, die Bill of Rights und Abraham Lincoln veröffentlicht. Nach der Besetzung von Prag wäre er auf ein paar offiziellen Diners ersdiienen, um sich den richtigen Start nach Kriegsausbruch zu sichern. Dann wären seine Aktien im Steigen gewesen. Dieselben Leute, d'f. alle Verträge, alle Versprechen und,alle Spielregeln von Anstand unä Ehrlichkeit gebrochen haben, hätten ihn dann empfangen. Reporter hätten Photos von ihm aufgenommen und er würde im ganzen Lande Vorlesungen über die rassische Minderwertigkeit der Hunnen gehalten haben. Knapp nach Dünkirchen (oder kurz nach Beginn des .Blitzes') wäre er in Amerika eingetroffen und von diesem Moment an wäre sein Stern in multiplizierender Schnelligkeit aufgestiegen. Das Kriegsinformationsamt hätte seine Dienste in Anspruch genommen, das Haus der Freiheit würde ihm seine Tore geöffnet haben, . die Sowjetgesandtschaft hätte ihn mit Kaviar gefüttert und die FPA hätte ihn als Sprecher angefordert. Höher und höher wäre er gestiegen ... Präsident einer Regierung im Exil mit Sitz im Waldorf-Astoria-Hotel... Rundfunkübertragungen über das ganze Land über die österreichische Widerstandsbewegung mit Vorstellung von maskierten Führern derselben, bei 50 Dollar pro Menü Essen in Luxushotels ... Massenversammlungen in Freimaurertempeln und auf Baseballspielplätzen ... Pressekonferenzen in der österreichischen Gesandtschaft.. Interviews durch Johannes Steel, Lisa Sergio und Raymond Swing ... Spende eines Freiheitsschiffes mit Namen Johann Strauß'... Mehr und immer mehr! Sicherlich, da waren die traurigen Beispiele von Polen und Jugoslawien, aber es ist durchaus möglich, daß Österreich durch solche Methoden profitiert hätte: die Tragödie der Besetzung wäre vielleicht dem Lande erspart worden, und Südtirol wäre vielleicht zn seinem Vaterland zurückgekehrt. Reparationen wären einem hungernden Deutschland herausgepreßt worden und fette Anleihen wären in die Kassen Österreichs geflossen. Als .Patriot' im gewöhnlichen Sinne des Wortes hätte Schuschnigg durch diesen ganzen Jahrmarkt sich durchschlängeln, sich mit diesen Kräften verbinden und mit ihnen fraternisieren müssen ... und dann hätte er sie nach seiner Rückkehr nach Österreich einfach fallen lassen sollen, nachdem er seinen Kanzlerposten mit Hilfe der ausgeborgten Bajonette wieder angetreten hätte.

Schuschnigg war aber nicht aus solchem Holze geschnitzt. Alles, was er tat, war, daß er ein einfaches, persönliches, nicht an-maßliches Buch ohne Haßtiraden und hysterische Ausbrüche, ohne Ranküne weder gegen die Deutschen noch im besonderen gegen die Nazi schrieb. Offenbar mißfiel es so vielen Revueleuten, weil sie nach so etwas nicht ausgespäht hatten... Schuschnigg vermochte nicht Österreich vor Unheil zu bewahren. Alles, was er unternahm, war, sein und Österreichs Seele zu bewahren. Zum mindesten degradierte er nicht sein verzweifeltes Land. Er war das alleinige Haupt einer besiegten Regierung, ebenso wie Leopold III. das einzige Oberhaupt eines Überfallenen Staates war, ein Mann, der nicht floh, sondern blieb und sich den Ereignissen stellte. Natürlich dem erleuchteten Mob unserer liberalen Fortschrittlichen, die unfähig sind, zu verstehen, was Männlichkeit, Mut, religiöse Gesinnung, Zuversicht, Großherzigkeit und Verzeihen sind, war er nur ein Dummkopf und ein Waisenknabe der Politik.“

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