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Aus dem Zeitalter des Nationalismus

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Als um die Vorherrschaft in Deutschland gekämpft wurde, hatte die österreichische Regierung guten Grund, das Deutschtum hochzuhalten. Darüber klagten damals und in der Geschichtsschreibung die übrigen Nationalitäten. Es ist eine verdienstvolle Arbeit, an amtlichen Dokumenten — 132 sind abgedruckt

— nachzuweisen, wieviel das absolutistische Regime für die sprachliche Bildung dieser Nationalitäten getan hat. Es war — nicht nur in dem hier besprochenen Unterriohtswesen

— nicht wenig; die Tatsachen reden, die Dokumente beweisen. Nicht soviel beweisen manche Ausführungen des Autors; in seiner Apologie des Regimes geht er zu weit — nimium probat. „Nur bei einem Vorgang bewußter, planmäßiger E;ndeutschung mit einem wohldurchdachten; umfassenden System von, Einzelmaßnahmen zur Entnationalisierung der . Nichtdeutschen, zur Unterdrückung\. aller spezifisch nic^itde^tschen Lebensäußerungen könnte von Germanisierung gesprochen werden.“ Nun ja, nun ja. Nur bei einer Reihe wohlgezielter Schläge in alle lebenswichtigen Körperteile könnte von Mißhandlung gesprochen werden ... Ich weiß nicht! Auch ein einziger gelinder Fußtritt würde mich verdrießen; so empfindlich sind wir halt. Es ist klar, daß nur konkrete Untersuchungen nachweisen können, wie viele Familien damals germanisiert, slawisiert und italianisiert worden sind.

Im Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland stützte sich der Kaiser auf Beust, in der Hoffnung, die Gegnerschaft des deutschen Freisinns gegen Bismarck ausnützen zu können. Doch als Preußen 1866 und 1871 gesiegt hatte, da gewährte nicht nur der preußische Landtag, sondern fast das ganze deutsche Volk Bismarck Indemnität. Liberale, revolutionäre Instinkte durfte man ja gerade gegen Bismarcks Feinde austoben — gegen Weifen und Jesuiten; und so endete mancher Freiheitsmann von 1848 als Bismarckscher Staatsdiener. Einen Ausschnitt aus dieser Entwicklung zu schildern, ist verdienstvoll; doch über die Methode wäre etwas zu sagen. Gewiß muß ein jeder Autor nach seinen Ansichten, in seiner Sprache schreiben; aber da gibt es gewisse Grenzen.

„Gegen die Herrenhausrede vom Kari haben der Onkel Fido mit dem Beda und dem Poldo eine Interpellation beschlossen“ — wollte der Schreiber dieser Zeilen in diesem Stil die Geschichte der Monarchie behandeln, dann müßte man ihn mahnen, sich nicht wie unter seinen Angehörigen, sondern gemeinverständlich auszudrücken. Da der deutschsprachige Durchschnittsleser in der SED-Sprachregelung noch nicht ausgebildet ist, hätte der Autor dementsprechend bedenken müssen, daß Ausführungen wie die auf S. 95 nachgerade fast völlig unverständlich bleiben.

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