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Der „Widerstand“ erstarkt

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Damit aber trat nun zur soldatischen Tragödie auf dem Schlachtfeld die politische der deutschen Widerstandsbewegung. Niemand war nämlich im Westen zu der Einsicht beredt, daß es neben HMer auch noch ein anderes Deutschland geben könne, und so schlug denn gerade in den Tagen, als die 6. Armee verblutete, die Konferenz von Casablance mit ihrer Forderung nach „bedingungsloser Kapitulation“ den Kämpfern für dieses andere, bessere Deutschland die überzeugendsten Argumente aus der Hand.

Im Osten war man in dieser Richtung viel flexibler. Mitte Juli 1943 wurde in Moskau das „Nationalkomitee Freies Deutschland" gegründet, dem sich auch — psychologisch durchaus erklärlich — Männer anschlossen, die steh Sm Kessel von Stalliragrad bis zum Schluß tapfer gewehrt hatten. Daß die Patronanz über dieses Komitee zum Teil von Persönlichkeiten ausgeübt wurde, die zur Durchsetzung ihres Freiheitsbegriffes lange nach Kriegsende dann der Berliner Mauer und anderer Menschenfallen bedurften, zeigt aber, daß damit keine echte Alternative vorlag.

So war denn schließlich alles sinnlos, die Tapferkeit und der Durch- haltewillen der Soldaten, wie der Mut und der Idealismus der Widerstandskämpfer. Das Chaos kam unabwendbar. Und daraus ergab sich ' die letzte noch bis heute nachwirkende Folge dieses, vor nunmehr 25 Jahren aufbWtzenden Signals einer Schicksalswende: nämlich die Erkenntnis nicht nur der Erfolglosigkeit aller Anstrengungen, sondern — zumindest bei einem guten Teil — auch die, seinen Idealismus und seine Opfehbereitsöhaft bis zum äußersten für eine Sache eingesetzt . zu haben, deren Erbärmlichkeit und Schändlichkeit erst lange Zeit darnach in ihrem vollen Umfang sichtbar wurde.

Und wir Österreicher?

Man sage nicht: Stalingrad? Was geht das uns Österreicher noch an? Leider mehr als mancher allzu

Naive glaubt. Nicht nur, weil gerade die Österreicher einen bedeutenden Teil der in Stalingrad Gebliebenen bildeten und diese Schlacht für die Hinterbliebenen noch heute eine furchtbare Realität darstellt. Sondern auch, weil von hier aus jene Skepsis und Ablehnung ihren Ausgang nahm, die sich seit 1945 gegen alle bis dahin gültigen soldatischen Grundbegriffe, gegen Gehorsam, Befehl, Manneszucht und Einsatzbereitschaft ausbreitete. Und das gilt für unser Land genauso Wie für den deutschen Nachbarn. Es ist dies ein Problem, das spätestens in Krisenzeiten für einen Staat relevant werden kann, und wir haben damit eime Hypothek übernommen, die nicht so ohne weiteres aus der Welt geschafft werden kann.

Wann, ja ob wir sie jemals abtragen können, ist eine Frage, die sehr wesentlich von uns selbst abhängt. Nur, wenn wir das können — erst dann liegt Stalingrad wirklich hinter uns.

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