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Ein Mann tritt in den Schatten

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„Der Mann der Männlichkeit, frei in der Freiheit“ — rief ein arabischer Freund voll Trauer au6, als er von T. E. Lawrences Tod erfuhr. Lawrence, in dessen Adern sich anglo-irisdtes mit schottischem Blut kreuzte, zählt zu den mythischen Gestalten unserer ersten Jahrhunderthälfte. Fünf Jahre nach seinem Tode war sein angebliches geheimnisvolles Wirken im zweiten Weltkrieg noch Gegenstand der britischen und deutschen Propaganda. Denn Persönlichkeiten seiner Art werden in dem Raum, in den 6ie gestellt waren, nicht vergessen. Bei „Lawrence of Arabia“ war dies der Nahe Osten, Arabien, wo er lebte, forschte und kämpfte. Mit britischer Zähigkeit, schottischer Tatkraft und keltischer Phantasie und Menschenkunde, führte er stets das Werk, dem er sidi eben verschrieben hatte, zum Erfolg. Er selbst aber war bar jedes persönlichen Ehrgeizes. „Er konnte seine eigene Person völlig fallen lassen, seinen unbändigen Willen beugen, 6ein überragendes Wissen der Erkenntnis der anderen anpassen“, sagte von ihm Winston Churchill. Lawrence stand zu dieser Zeit auf dem Gipfel seines militärischen Ruhmes: er hatte die Araber für England gewonnen, war mit ihnen den deutsch-türkischen Truppen in Palästina in den Rücken gefallen, und hatte zur Eroberung von Damaskus Wesentlichstes beigetragen. Seine Aufgabe war beendet, und er trat, wie dann immer, in den Schatten zurück. „Damals“, erzählt Churchill, „war Lawrence, glaube ich, fast gänzlich ohne Geldmittel, und ich hatte Gouverneurposten und andere hohe

Stellen zu vergeben. Nichts machte Eindruck auf ihn. Als letztes Mittel fiel mir ein, ihn nach Transjordanien zu schicken, wo plötzlich Schwierigkeiten entstanden waren. Er war mit jeder Art von Vollmacht ausgestattet. Er benützte sie mit aller Nachdrücklichkeit. Er stellte die Ordnung völlig wieder her. Jeder war begeistert von dem Erfolg seiner Reise, aber nichts konnte ihn veranlassen, sich solchen Aufgaben weiterhin zu unterziehen.“ Lawrence nahm 1922 als Oberstleutnant seinen Abschied und trat unter dem Namen John Hunt bei der Royal Air Force als Rekrut ein. Als die6 aufkam und durch die Blätter ging, ließ er sich — wieder als gewöhnlicher Soldat — zum Panzerkorps versetzen. Schließlich diente er in Indien, wo er sein Buch ..Aufstand in der Wüste“ schrieb und eine Odysee-übersetzung vollendete. Sein Leben verlief weiterhin zwischen Seltsamkeit und Wagnis, bis er im Mai 1935 einem Motorradunfall zum Opfer fiel. ,

Einer von Lawrences nächsten Freunden hat aus Briefen, Werken und zum Teil noch unveröffentlichten Schriften, diese Auswahl mit Verständnis und Geschick gefügt, welche die reiche und eigenartige Persönlichkeit des Mannes wiedergibt, der zu Großem befähigt war, Bedeutendes leistete und 6tets in den Schatten de6 Nichtbeachtetbleibens strebte: Soldat, Archäologe, Künstler und Schriftsteller von Format — denn an welcher Begabung hätte e6 T. E. Lawrence wohl gefehlt? Christilcher Anschauung steht Lawrence freilich fremd gegenüber.

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