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Kein katholischer „Klassiker“?

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Für die katholische Stellungnahme bezüglich Bibelübersetzungen ist es bezeichnend, daß es weder in den vergangenen Jahrhunderten noch auch heute eine Übersetzung gibt, die man mit einem gewissen Recht „klassisch“ nennen könnte. Hingegen besitzt der deutsche Sprachraum die Luther-Bibel, während auch die protestantische ,£taten-vertaling“ der Niederlande (17. Jahrhundert) die Qualifikation „klassisch“ noch immer verdient. Im katholischen Raum findet »ich keine auch nur annähernde Parallele. Die einzige katholische Bibelübertragung (auf Grund der Vulgata), die besonders im vorigen Jahrhundert die weiteste Verbreitung gefunden hat, ist die von Joseph Allioli, die ab 1830 wiederholt aufgelegt wurde und sogar noch 1942 und 1947 erschien. Interessant ist die Tatsache, daß für die ersten Auflagen das kirchliche Imprimatur von der päpstlichen Nuntiatur in München erteilt wurde, wobei diese sich ausdrücklich auf das Gutachten der Bischöfe Ziegler von Linz und Zängerle von Graz stützte. Ich muß ehrlich gestehen, daß ich im Jahre 1965 keine neue Auflage des „guten, alten Allioli“ erwartet hätte, aber vielleicht hat die Tatsache, daß dieser Text honorarfrei zur Verfügung steht, eine Rolle gespielt. Auf jeden Fall ist es zu begrüßen, daß durch diese Ausgabe die große, fast verwirrende Anzahl moderner katholischer Übertragungen nicht mit einer neuen vermehrt wurde. Übrigens läßt sich dieser Allioli-Text auch heute noch immer sehr gut lesen, wobei zu berücksichtigen wäre, daß die beiden Bearbeiterinnen die altertümliche Schreibweise durch eine neuere ersetzt und viele Stellen unter Berücksichtigung des griechischen Originaltextes revidiert haben. Vom Logos im Johannesprolog heißt es zum Beispiel nicht mehr, daß es „unter uns gewohnt“, sondern „unter uns gezeltet“ hat. Ebenso lautet das bekannte „omnia instaurare in Christo“ (Eph 1, 10) nicht mehr „wiederherstellen“, 'sondern „.alles in Christus als Haupt zusammenfassen“. Das sind aber Einzelheiten, die nur dem Exegeten auffallen, im Ganzen jedoch ist diese Allioli-Übertragung noch immer brauchbar, sehr flüssig, nicht umständlich und vor allem nicht modern-verkrampft. Auch läßt sie, wie Allioli es beabsichtigte, „das alte orientalische Gepräge“ noch klar erkennen. Daher blieb der wiederholte Wechsel vom Imperfekt zum Präsens beibehalten, und auch die Bearbeitung hat daran kaum etwas geändert, weil darin eine „erstaunliche Unmittelbarkeit und Dramatik“ (Seite 99) zum Ausdruck komme. Das Wichtigste aber ist, daß diese Ausgabe älteren Leuten geboten wird und sich daher für schwache Augen in einem gut lesbaren, typographisch sehr schönen Druck präsentiert.

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