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Kinder schreiben für Kinder

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Das Bundesministerium für Unterricht hat im Jahre 1946 47 einen Literaturwettbewerb für die Jugend Österreichs ausgeschrieben. Nun liegen die beiden ersten Bände im österreichischen Bundesverlag, die Arbeiten der 8- bis 12- und der 13- bis 15jährigen enthaltend, vor. Nicht weniger als von den jugendlichen Schriftstellern wurden sie von den Erwachsenen, von Eltern und Erziehern und allen an der Jugend Interessierten erwartet. Die Antwort auf die Fragen: was bewegt, erschüttert die Psyche der Kinder unserer schweren Zeit, was und wie erscheint ihnen wert, festgehalten, gestaltet zu werden?, versprach Aufschluß und konnte den Weg weisen zu einfühlender Hilfe. Leider blieb die Antwort teilweise offen, erfüllt doch besonders der enste Teil „Das Dampfroß“ nicht alle Erwartungen. Abgesehen davon, daß er eine Geschichte enthält, die fast wörtlich aus einem Buch der bekannten Märchenerzählerin Sophie Reinheimer abgeschrieben ist, zeigt sich auch in vielen der übrigen Erzählungen nur allzu -sehr die „helfende“ Hand des Erziehers. Diese Hilfe beschränkt sich nicht auf Sprache und Stil, sie greift weit hinein in das Gedankengut und muß auch Thema wie Einfall gelenkt haben. Wir wollen nicht außer acht lassen, daß es die Begabtesten sind, die hier zu Wort kamen. Aber auch ihnen kann es in diesem Alter nicht gelingen, jene künstlerische Schärfe und Rundung zu formen. Kinder lieben das Detail, und ihre Welt birgt viel weniger Unmöglichkeiten als die der Erwachsenen. Wir spüren dieses Wesen des Kindes am deutlichsten vielleicht in den vier letzten Erzählungen, die auch am besten und reichsten — von Kindern — illustriert sind. Diese phantastischen Märchen bergen tieferes kindliches Erleben, unbewußt gesammelt und gespeichert, als etwa die mit dem ersten Preis ausgezeichnete Erzählung „Das Dampfroß“, die zwar sehr packend, ja rührend, aber unkindlich, durchaus vom Erwachsenen her gesehen erscheint. Wir dürfen das Kind nicht danach messen, wie weit es sich bereits der Welt des Erwachsenen genähert hat. Wir kämen, dann dazu, frühreife Kinder überzubewerten und die Arbeiten der

Erzieher mit denen ihrer Schutzbefohlenen zu verwechseln.

Bedeutend selbständiger und aufschlußreicher erscheint der zweite Band, „Innviertler Di ckschäde 1“, der Arbeiten der 13- bis 15jährigen enthält. Entsprechend der Problematik des Pubertätsalters ist die Wahl der Themen außerordentlich unterschiedlich. Das Leben selbst in seiner Realistik wird zu bewältigen gesucht, wenn auch in phantastischer, idealistischer und von tausend Wünschen und Erwartungen erfüllter Form. — Es dürfte wohl an der Auswahl liegen, daß alle- Erzählungen den Grundgedanken der Heimatliche, nicht selten in etwas gekünstelter Art, enthalten. Darüber hinaus ist es auffallend, wie sehr die Probleme der, jungen Menschen nicht von außen angeregt, kaum von dem schrecklichen Geschehen der Zeit berührt wurden, sondern von innen kommen. Dem Alter entsprechend, kreisen die Gedanken um das wachsende Ich und seine Einordnung und Bewährung in der Welt des Erwachsenen, um die Klärung und Überwindung des eigenen Kindseins. Es fehlt nicht die Schwermut und Empfindsamkeit der Pubertät, nicht ihr Suchen nach der „großen Tat“. Aber hie und da ist ein befreiendes Lachen zwischen den Zeilen, ein Ringen nach ethischer Verantwortlichkeit, tiefe Religiosität. Ein Suchen nach dem Ganzen liegt den Erzählungen zugrunde und jener jugendliche Eifer, dem eine unsagbare Anmut eignet. Und dies läßt viel hoffen. — Im ersten Band überwiegt bei weitem (17 zu 2) der Anteil der Mädchen, die in diesem Alter bekanntlich den Buben etwas voraus sind. Im zweiten Band stehen sieben Beiträgen von weiblichen bereits fünf von männlichen Jugendlichen entgegen. — Es ist vielleicht von Interesse, sich abschließend die überaus starke Beteiligung an diesem Wettbewerb vor Augen zu halten. Es zeigt, daß unsere Jugend in weiten Kreisen ernster Problematik aufgeschlossen ist. Andererseits ist „Dichtung" immer Ausweg, Befreiung von seelischem Druck, und auch dies gibt zu denken.

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